Grafschafter Schulgeschichte

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Allgemein-17

Allgemeine Entwicklung des Schulwesens

Eine Kreislehrerkonferenz im Jahre 1907
von Wilhelm Hagerott

Vorbemerkungen: Die Kreislehrerkonferenzen gab es schon zur Zeit von Oberschulinspektor Johann Heinrich August Fokke vom Oberkirchenrat, der ab 1851 in Neuenhaus eine Schullehrer-Vorbildungs-Anstalt leitete. Diese hatte die Aufgabe, in einem einjährigen Kursus die Landschullehrer für den Bezirk des Oberkirchenrates zu Nordhorn auszubilden. Der Unterricht wurde unentgeltlich erteilt. Bedürftige Zöglinge erhielten eine angemessene Unterstützung aus Landesmitteln. Als Hilfslehrer fungierte neben ihm W. Schlikker.

Damals visitierte Oberschulinspektor Fokke zweimal im Jahr alle reformierten Schulen der Grafschaft. Daneben hielt er zwei amtliche Konferenzen ab, eine für die Niedergrafschaft in Wilsum, die andere für die Obergrafschaft, zuerst beim Schenkwirt D. Niehaus in Bentheim, später stets bei Tigler auf dem Isterberg. Als Fokke 1872 starb, blieben die alten Konferenzorte noch lange bestehen, nur 1889 verlegte Kreisschulinspektor Pastor Heße aus Brandlecht die Konferenz nach Schüttorf in den Gasthof Lindemann und 1890 nach Nordhorn ins Vereinshaus.

Später traf man sich noch einige Male auf dem Isterberg, um dann vorwiegend in Bentheim zu tagen: Im Hotel Walles, im Kaiserhof und ab 1899 im Gasthof Zevenhuizen (später: Schulze-Berndt). Die Konferenzen fanden ganztägig statt. Das geistliche Rentamt stellte anfangs "zwecks Restaurierung der Teilnehmer" 50 Mark zur Verfügung, ab 1898 gab es je nach Entfernung 2 bis 5 Mark Entschädigung. Am Beispiel aus dem Jahre 1907 wird der Verlauf einer solchen Konferenz dargelegt.

Am Dienstag, dem 17. September 1907, tagte in Bentheim im Gasthof Zevenhuizen die amtliche Kreislehrerkonferenz der Obergrafschaft Bentheim unter dem Vorsitz des Kreisschulinspektors Pastor Stockmann. Nach der Eröffnung durch Gesang und Gebet sprach Pastor Bomfleur aus Schüttorf über das Bibelwort Joh. 13, 17: "So ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr´s tut". Die Konferenz war von 51 Lehrern und 2 Ortsschulinspektoren besucht, als Gäste waren Schulrat Oppen und Landrat Kriege anwesend.

Den Jahresbericht gab der Kreisschulinspektor, nachdem zuvor die Versammlung des am 24. Mai 1907 im Alter von 68 Jahren und drei Monaten verstorbenen Hauptlehrers Wilhelm Georg Mülder gedacht hatte. Mülder, das sei hinzugefügt, war ein Sohn des Schüttorfer Lehrers Dietrich (Derk) Mülder. Am 11.2.1839 geboren, erhielt er seine Ausbildung am Seminar in Aurich und kam 1867 nach Schüttorf. Hier hat er 40 Jahre gewirkt. Er gehörte zu den Mitbegründern des Obergrafschafter Lehrervereins, dessen Vorsitzender er lange Zeit gewesen ist. Nur etwa zwei Monate war es ihm vergönnt, im Ruhestand zu leben.

Die Schulen der Obergrafschaft wurden damals von 3479 Kindern besucht, ein Jahr vorher waren es 3397 gewesen. Die Zahl der Schulkinder stieg übrigens um die Zeit der Jahrhundertwende stetig an, von 2557 im Jahre 1895 auf 4218 im Jahre 1913.

Dabei überwog leicht die Zahl der Knaben. Der Lehrermangel war groß. Im Berichtsjahr (1906) unterrichteten in Gildehaus in 6 Klassen zeitweise nur 3 Lehrer, in Nordhorn waren für 7 Klassen nur 5 Lehrer vorhanden, die einklassige Schule in Altendorf hatte 128 Kinder.

Die Obstbaumgärten bei den Schulen konnten gute Erfolge aufweisen: Rund 1000 Stämmchen waren von den Kindern mit Erfolg veredelt worden. Die Kosten, 111,60 Mark, zahlte der Kreis.

Zum Schluss seines Berichtes appellierte der Vorsitzende an die Lehrer um tatkräftige Unterstützung bei der Gründung einer Präparandenvorschule, ähnlich wie sie schon in Neuenhaus bestand, um dem Mangel an Lehrern in der Grafschaft abzuhelfen. Darauf wollten sich die Lehrer aber nicht einlassen. Wedewen aus Bentheim meinte, dass man es mit gutem Gewissen nicht tun könne, wenn man die örtlichen Gehaltsverhältnisse sehe und Vergleiche mit den Bezügen anderer Beamter anstelle, und Berge aus Schüttorf fügte hinzu, der Lehrermangel werde sofort behoben sein, wenn eine Gleichstellung mit den mittleren Beamten erfolge. In den letzten 10 Jahren hätten wegen der Gehaltsverhältnisse rund 50 aktive Lehrer den Kreis verlassen.

Eins wurde deutlich: Die Obergrafschafter Lehrer wollten ihren Schülern den Lehrerberuf nicht empfehlen. Schon am 31.7.2007 hatte es in einer Leserzuschrift in der Bentheimer Zeitung geheißen: "Einem gewissenhaften Lehrer ist es geradezu unmöglich, den Eltern anzuraten, ihre Söhne auf die Präparanden zu schicken. Sollte ein Vater dennoch gewillt sein, seinen Sohn Lehrer werden zu lassen, so raten wir, ihn auf ein westfälisches Seminar (Petershagen, Gütersloh, Soest) zu geben, da in Westfalen die Gehälter höher sind."

Nach eingehender Debatte dieses Fragenkreises hielt Wilhelm Berge dann noch einen Vortrag über das Thema: "Wie muss die Volksschulerziehung der Mädchen gestaltet werden?" Er forderte Haushaltsschulen und Mädchenfortbildungsschulen. Von der Versammlung wurde die Einrichtung des hauswirtschaftlichen Unterrichts sowie das Mädchenturnen für notwendig erachtet.
Nach dem Mittagessen, das Gedeck zu 2 Mark, gab es ein Referat des Lehrers Menebröcker aus Wengsel: "Welche Bedeutung haben die Kolonien für unser Vaterland?" Daran schloss sich der Bericht der Lehrmittelkommission von Lehrer Wedewen an und der Bericht über die Kreislehrerbibliothek, den Lehrer Arends aus Bentheim vortrug. Nachdem noch einige geschäftliche Angelegenheiten erledigt waren, wurde die Konferenz geschlossen.

Es sei hier angemerkt, dass es ab 1871 neben der amtlichen Konferenz noch die freie Konferenz gab. Das war die Hauptkonferenz (später Kreislehrerkonferenz) des Grafschafter Lehrervereins , die immer in den Pfingstferien stattfand. "Einmal im Jahr, gleich nach dem lieblichen Fest der Pfingsten, tagte der Kreislehrerverein in des Landes Mittelpunkt, in dem vechteumflossenen Nordhorn", berichtet der spätere Schulrat Hans Valentin aus seinen jungen Lehrerjahren.

Quelle: Wilhelm Hagerott, 200 Jahre Bentheimer Volksschulgeschichte, Der Grafschafter Nummer 2, Februar, Jahrgang 1980
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