Grafschafter Schulgeschichte

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Allgemeine Entwicklung des Schulwesens

Zur Schulgeschichte
Ein Bericht von Heinrich Specht aus dem Jahre 1920 unter dem Titel "Kirche und Schule"

Die Organe der politischen Gemeinde stellten in vorreformatorischer Zeit die Latein- und Teutschlehrer an, beaufsichtigten sie und bezahlten sie. Ausdrücklich erkennt das Schüttorfer Privileg von 1465, das später auch für Neuenhaus und Nordhorn maßgebend wurde, die Stadtbehörde als unteren Verwaltungskörper der Schulen an. Die Umwälzung im 16. Jahrhundert schuf in dieser Beziehung neue Verhältnisse.

Im Jahre 1588 (nach einem späteren Bericht 1597) betreute Arnold II. das Geistliche Rentamt mit der Verwaltung der eingezogenen Kirchen- und Pfarrgüter. Er traf die Bestimmung, aus den Einkünften unter anderem auch das Bildungswesen finanziell zu fundieren. Die Mittel zur Errichtung neuer Schulen sowie zur Aufbesserung der Gehälter sollten ihm entnommen werden. Kirche und Schule erhielten damit eine materielle Grundlage. - Dem vertieften religiösen Empfinden der Bevölkerung jener Zeit entsprechend nahm die Schule damals den Religionsunterricht unter ihren Lehrfächern auf und machte Katechismus und Bibel bald zu den Hauptgegenständen der Unterweisung. "Die Lehr des Catechis ist nicht im Brauch", bemerkt noch die Kirchenordnung von1588.

Reichlich ein Menschenalter später nach dem zersetzenden Glaubenskriege mit seinen bösen Folgeerscheinungen erhoffte man bereits vom Religionsunterricht die sittliche Wiedergeburt des Volkes. Die Schüttorfer u. Bentheimer "leges scolarum" setzen 18 und mehr Stunden für ihn an, woraus die Wertschätzung, die man ihm entgegenbrachte, deutlich hervorgeht. - Die Geistlichen selbst waren im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, bevor sie in ein Pfarramt vorrückten, durchweg eine lange Reihe von Jahren praktisch in Schulen tätig.

Sie erwarben sich hier wertvolle Kenntnisse, die ihnen später bei Ausübung der Schulaufsicht zu statten kamen. Die Pädagogik verdankt ihnen viel. Manch wertvolles Schulbuch ist von Geistlichen geschrieben worden. 1701 gelangte die Kirche in der Grafschaft nach harten inneren Kämpfen auf dem Gebiet der Schule zur Alleinherrschaft. Der "Vergleyk" gestand dem Ober- und Niederkirchenrat das Besetzungsrecht der Stellen an den Hauptschulen und das freie Verfügungsrecht über die Güter des Geistlichen Rentamts zu.

Selbst der Schüttorfer Magistrat, der Jahrhunderte lang hartnäckig seine Befugnisse verteidigt und gewahrt hatte, ließ 1745 von den ortsansässigen Lehrern nach heftiger Gegenwehr die Kirchenordnung unterschreiben, um nicht durch fortgesetzte Widerspenstigkeit der Zuschüsse des Geistlichen Rentamts zum Unterhalt der Schulen verlustig zu gehen. Die Bildungsstätten der Grafschaft standen im 18. Jahrhundert ganz unter dem Einfluss der Kirche.

Als nach den Befreiungskriegen Napoleon auf St. Helena saß und England die Früchte seines zähen Ausharrens erntete, rückte die Hannoversche Regierung die Schulen wieder in den Machtbereich staatlicher Gesetzgebung. Der Erlass vom 24. September 1824 schränkte die Mitwirkung des Kirchenrats in Schulangelegenheiten wesentlich ein. Die Überwachung des Schulbesuchs gehörte hinfort nicht mehr zu seinen Obliegenheiten. Auch die Ausübung der Disziplinargewalt übertrug die Regierung anderen Instanzen.

Die Einrichtung des Schulfonds neben den Kirchenkassen und die Anstellung von sog. Schulempfängern neben den Kirchmeistern deutete die neue Entwicklungslinie an. Als Deutschlands Bevölkerung schnell wuchs und z.B. im Schulverbande Nordhorn statt eines Lehrers vierzig bis fünfzig angestellt werden mussten, und der Unterhalt der Schulen nicht mehr mit jährlich 228 Gulden zu bestreiten war wie 1772 und später, sondern einen Aufwand von 150.000 Mark und mehr erforderte, fielen natürlich die Mittel, die die Kirche für Bildungszwecke zu vergeben hatte, nicht mehr ins Gewicht.

Immer mehr nahmen im 19. Jahrhundert Staat und Gemeinde die Schullasten auf ihre Schultern. Es war deshalb gerechtfertigt, als die Landdrostei am 8. April 1863 dem Kirchenrat die Verwaltung der Schulen entzog und sie weltlichen Vorständen übertrug. In ihnen bekam nun auch der Lehrer Sitz und Stimme. Auf beides hatte er bisher verzichten müssen. Die Vertreter der Kirche schränkten nach und nach auch ihre unterrichtliche Betätigung ein, und damit ging Hand in Hand ein Nasslassen ihrer theoretischen Arbeit für die Schule. Wer heute die lange Namenliste moderner Pädagogen und Psychologen zur Hand nimmt, findet darin ihre Namen nur noch selten. Auch eine Folge der sich in unserer Zeit auf allen Gebieten menschlichen Tuns und Denkens ständig stärker geltend machenden Arbeitsteilung. So lockerten sich nach und nach die Bande, die ehemals Kirche und Schule zu einer Lebensgemeinschaft vereinigten.

Bis zur Revolution blieb den Geistlichen noch die Schulaufsicht. Ein Erlass der Revolutionsregierung nahm den Ortsschulinspektoren ihre Befugnisse, und am 31. Dezember 1919 trat Konsistorialrat Stokmann, der sein Amt mit hingebender Treue und Sorgfalt ausgeübt hatte, auf Anordnung der Regierung die Kreisschulinspektion an Rektor Südhof in Frensdorf und Pastor Busse in Lage an Lehrer de Vries in Esche ab.

Nach einer Übergangszeit von sechs Monaten ernannte der Minister den Rektor Valentin in Osnabrück zum hauptamtlichen Kreisschulinspektor für die Grafschaft Bentheim mit dem Sitz in Nordhorn und unterstellte ihm auch die evangelischen Schulen des Emslandes. Die katholischen Schulen des Kreises, die seit dem 1. Januar d. Js. dem Hauptlehrer Barlage unterstanden, verwaltet jetzt Kreisschulinspektor Eggert in Lingen. - Die nebenamtliche geistliche Schulaufsicht, die nun beseitigt ist, wurde um 1820 eingerichtet und kann somit auf eine hundertjährige Tätigkeit in der engeren Heimat zurückblicken. Die ersten Inhaber der Stellungen waren Pastor Visch in Wilsum für die Niedergrafschaft und Pastor Coppelmann zu Ohne für die Obergrafschaft.

Wenn so Kirche und Schule - je länger, desto mehr - auseinander wachsen, so wollen wir uns doch stets und bei allen Gelegenheiten der Tatsache erinnern, dass beide noch immer das Erbteil aus der Reformation, der Religionsunterricht verbindet, dass Kirche und Schule das gleichgerichtete Streben eint, dem geistigen Leben der Gemeinde einen sittlich-religiösen Inhalt zu geben, der ihm in dieser Zeit tiefsten Niedergangs doppelt not tut.

Quelle: Der Grafschafter, 1. Jahrgang, Nr. 1, 4.Oktober 1920
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