Grafschafter Schulgeschichte

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BBS-17

Entwicklung des Berufsbildenden Schulwesens in der Grafschaft Bentheim

Kreisberufsschule

Die Kreisberufsschule ist aus den Gewerblichen Fortbildungsschulen im Kreisgebiet (ohne Nordhorn) entstanden. Hierüber stehen Informationen aus Bentheim und Gildehaus zur Verfügung.

Gewerbliche Fortbildungsschulen

1890 - In einem Schreiben vom 18. Februar 1890 schreibt der Landrat des Kreises Grafschaft Bentheim an den Bentheimer Magistrat, dass das in allen Zweigen des Handwerks, der Industrie und des Handels sich fortwährend mehrende Angebot von Arbeitskräften in Verbindung mit den gesteigerten Ansprüchen die Einrichtung einer gewerblichen Fortbildungsschule in Bentheim nahe lege, für deren Bildungsziel es zunächst weniger auf die technische Vorbildung für den besonderen Lebensberuf, als auf die Vertiefung und Ergänzung der Volksschul-Bildung und Erziehung ankomme.

Es bestehe die Gefahr, dass die jungen Leute schon wenige Jahre nach dem Verlassen der Volksschule die in der letzteren erlangten Kenntnisse vergessen und bei erschlaffendem Lerneifer auch in sittlicher Beziehung, nachdem sie der Schulzucht entrückt sind, anstatt vorwärts vielmehr rückwärts gehen. Dagegen seien die wohltätigen Wirkungen einer Fortbildungsschule und die große Bedeutung des Fortbildungsunterrichts allgemein anerkannt (nach: Dr. Heinrich Voort, Die gewerbliche Fortbildungsschule in Bentheim, Bentheimer Jahrbuch 1986, Seite 177, auch die folgenden Ausführungen).

Nach reiflicher Beratung erklärt sich der Magistrat am 24. März 1890 bereit, eine gewerbliche Fortbildungsschule einzurichten.

In seiner Bekanntmachung in der Bentheimer Zeitung schreibt der Bentheimer Magistrat: "Die städtischen Kollegien, von der Erkenntnis durchdrungen, dass der Fortbildungsunterricht die in der Schule erworbene Bildung vertiefe und ergänze, auch den Schülern in sittlicher Beziehung Schutz verleihe, haben mit Genehmigung der Staatsbehörden und unter Gewährung von Beihülfen seitens derselben die Gründung einer Fortbildungsschule am hiesigen Orte beschlossen." (nach: Hagerott, 200 Jahre  Bentheimer Volksschulgeschichte. In: Bad Bentheim - Aspekte einer Stadtgeschichte, Das Bentheimer Land, Band 138, 1996, S.350). Am Sonntag, dem 9. November 1890, nimmt in Bentheim die neu gegründete "Fortbildungsschule für die dem Arbeiter-, Handwerker- und Handelsstande als Lehrlinge und Gehilfen angehörenden jungen Leute" ihren Unterricht auf.
Wöchentlich werden 6 Stunden Unterricht von drei Lehrkräften, je zwei Stunden sonntags (im Sommer 7 - 9, im Winter 16 - 18 Uhr, dienstags und donnerstags (jeweils 20 - 22 Uhr) erteilt. Das Schulgeld beträgt für 43 Unterrichtswochen 10 Mark im Jahr.

Die Schule fängt mit 24 Schülern an. Der Unterricht findet im Rathaussaal in Rechnen, deutscher Sprache, den Anfangsgründen der Geometrie, im Zeichnen und in der vaterländischen Geschichte statt (nach: Hagerott,a.a.O., Seite 351).
Das Königliche Landratsamt legt auch dem Magistrat von Gildehaus die Einrichtung einer Fortbildungsschule nahe. Magistrat und Bürgervorsteher befassen sich auf einer Sitzung am 28.3.1890 mit dem Vorschlag, sehen die Einrichtung aber "als den hiesigen Verhältnissen nicht entsprechend" an und lehnen sie ab (nach: Voort, 700 Jahre Gildehaus, 1992; hier: 6.4 Fortbildungsschule, Seite 206). Damit ist das Thema für Gildehaus auf lange Sicht erledigt.

1891 - Die gewerbliche Fortbildungsschule in Bentheim untersteht wie alle anderen Schulen der behördlichen Aufsicht. Bei einer Revision der sieben anwesenden Schüler durch eine Kommision aus Osnabrück werden die Leistungen im wesentlichen als befriedigend angesehen. Jedoch mag nur einer einigermaßen richtig und geläufig zu lesen. Gerügt werden auch die mangelhaften Fertigkeiten in der Rechtschreibung und manche vorgelegten Zeichnungen. Eine erneute Revision am 28.9.1894 "hat im allgemeinen befriedigt". Nachdem der Besuch der Fortbildungsschule zunächst freiwillig war, erlässt der Magistrat der Stadt Bentheim im September 1891 ein Ortsstatut.

Danach sind alle gewerblichen Arbeiter (Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter), die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, verpflichtet, die gewerbliche Fortbildungsschule an den festgesetzten Tagen und Stunden zu besuchen und am Unterricht teilzunehmen (§ 1 des Ortsstatuts vom 24.9.1891).
1893 - Die 52 Schüler, die Anfang 1893 die Schule besuchen, haben folgende Ausbildungsberufe bzw. Tätigkeiten: 15 Fabrikarbeiter, 8 Steingrubenarbeiter, 7 Tischler, 4 Schuster, je 3 Schmiede und Anstreicher, je 2 Bäcker, Schneider und Maurer sowie je ein Zimmermann, Sattler, Uhrmacher, Schriftsetzer, Stellmacher und Steinsetzer.

1894 - Ab 1894 wird die Stundenzahl auf vier herabgesetzt, von denen zwei für beide bestehenden Klassen gemeinsam im Zeichnen erteilt werden, während jede Klasse je eine Stunde Deutsch und Rechnen erhält. Eine geforderte Erhöhung der Stundenzahlen in Deutsch und Rechnen auf je zwei wird vom Magistrat aus finanziellen Gründen abgelehnt. Erst die Drohung des Regierungspräsidenten im Jahre 1901, die Staatszuschüsse zu streichen, bringt den Magistrat zum Einlenken.

1902 - Nachdem Bahninspektor Holzapfel seit Gründung der Schule als Obmann des Kollegiums fungierte, wird Lehrer Mülder auf Antrag zum Schulleiter bestellt. Aufgrund eines Hinweises des Regierungspräsidenten auf die Reichsgewerbeordnung müssen auch die "Gehülfen und Lehrlinge in Handlungsgeschäften" ebenfalls die gewerbliche Fortbildungsschule besuchen, sofern sie nicht eine spezielle Fachschule besuchen. Obwohl jetzt auch die kaufmännische Seite im Unterricht vertreten ist, bleibt es bei der Bezeichnung gewerbliche Fortbildungsschule.

1904 - Ab 1904 sieht der Stundenplan vor, dass an fünf Wochentagen abends insgesamt 6 1/4 Stunden, ab 1909 7 1/2 Stunden unterrichtet werden. Die Anregung des Landrates, auch für die Jungen Handarbeits- oder Handfertigkeitsunterricht einzurichten, lehnt der Magistrat ab, "da ein Bedürfniß dazu nicht vorliege."

1908 - In Gildehaus lehnen der Magistrat und die Bürgervorsteher einen Antrag der örtlichen freien Handwerker-Innung auf die Errichtung einer Zwangs-Fortbildungsschule ab. Sie gewähren jedoch bis auf weiteres jährlich 100 Mark für den Zeichenunterricht und für die Anschaffung von notwendigen Utensilien "für den Fall, dass die gewerbliche Fortbildungsschule mit der bestehenden ländlichen vereinigt wird" (nach: Voort, Seite 207). Die Zahl der Schüler steigt aufgrund der Verpflichtung zum Besuch Anfang 1892 auf 52.

1912 - Nach einem neu erstellten Ortsstatut für die Stadt Bentheim werden die Fabrikarbeiter vom Besuch der Fortbildungsschule ausgeschlossen.

1913 - Die Gemeindevertretung von Gildehaus fasst im Oktober 1913 den einstimmigen Beschluss, die gewerbliche Zwangs-Fortbildungsschule einzurichten. Es wird ein Ortsstatut entworfen, das der Bezirksausschuss am 5. Mai 1914 genehmigt. Bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres sind alle ständig beschäftigten Arbeiter zum Schulbesuch verpflichtet, soweit sie die geforderten Kenntnisse und Fertigkeiten nicht besitzen und keine Fachschule besuchen. Das Schulgeld beträgt jährlich 6 Mark. Es wird ein Kuratorium gewählt, dessen Vorsitzender der Bürgermeister ist. Leiter der Schule wird Lehrer Buermeyer (nach: Voort).

1919 - Nachdem der Lehrbetrieb im Kriege unterbrochen war, wird im April 1919 die Wiedereinrichtung beschlossen, die jedoch verzögert wird (Voort). Vom Lehrerverein der Obergrafschaft wird gefordert, dass "die Verpflichtung der Lehrer zum Fortbildungsunterricht aufgehoben werde (Hagerott, Der Lehrerverein der Obergrafschaft, 1978, Seite 43; auch: Voort).

1924 - Der Kreisausschuss für die Grafschaft Bentheim erlässt eine Kreissatzung, nach der der Kreisausschuss entscheidet, wo und für welchen Schulbezirk Fortbildungsunterricht erteilt werden soll.

1925 - An der gewerblichen Fortbildungsschule (gelegentlich auch gewerbliche Berufsschule genannt) in Bentheim unterrichten sechs Lehrer.

1927 - Im Bericht der Gemeinde Gildehaus wird die Zahl der Fortbildungsschüler mit 61 angegeben, von denen 31 Handwerkslehrlinge sind. Die Schulleitung hat Lehrer Möller übernommen. Die zunehmende berufliche Spezialisierung führt dazu, dass in Bentheim drei Berufsschulklassen eingerichtet werden, eine für Metall- und Bauhandwerker, eine weitere für die "schmückenden Berufe" und die dritte für Textilarbeiter. Dies führt in der Folgezeit zwangsläufig zu einem Schüleraustausch bei weiterer Klassenaufgliederung zwischen den Berufsschulen der Obergrafschaft und schließlich zu einer förmlichen Schulgemeinschaft.

1931 - Die Schülerzahl in Gildehaus ist auf 23 abgesunken. Die Ursachen hierfür liegt in der allgemeinen wirtschaftlichen Krise, die es den Schulabgängern der Volksschule schwer macht, Lehrstellen im Handwerk oder Arbeitsplätze in der Textilindustrie zu finden. Für Bentheim ist erstmalig ausgewiesen, dass ein speziell ausgebildeter Gewerbelehrer aus Nordhorn anreist, der neben den anderen Lehrern an einem Tag Unterricht erteilt.

1932 - Eine Anordnung der Regierung sieht vor, dass der Unterricht an Fortbildungsschulen nur noch von Gewerbelehrern erteilt werden soll. Im Januar 1932  ruht der Schulbetrieb in Gildehaus; angekündigt ist aber, dass der einzustellende Gewerbelehrer einen Tag nach Gildehaus kommen soll.

Kreisberufsschule

1936 - Der Landkreis Grafschaft Bentheim erlässt eine Satzung über die Berufsschulpflicht für Knaben und Mädchen in seinem Gebiet. Am 2. Juli 1936 wird der Unterricht in der Kreisberufsschule für die Obergrafschaft (Schüttorf, Bentheim, Gildehaus) aufgenommen. Schulort ist Bentheim.

1940 - Nachdem die Grundsteinlegung für ein neues Schulgebäude für die Berufsschule und die Realschule 1938 an der Marktstraße erfolgte, kann das Gebäude erst 1940 bezogen werden. Das untere Stockwerk ist für die Kreisberufsschule vorgesehen (Hartmut Abel, Chronik der Realschule Bad Bentheim, 2002, Seite 45).

1954 - Der Landkreis betreibt die Kreisberufsschule mit den Schulstandorten Bentheim und Neuenhaus, zeitweise auch in ausgelagerten Klassen in Schüttorf. Über die Entwicklung nach Kriegsende, auch in Neuenhaus, liegen keine Informationen vor. Die Zunahme der Schülerzahlen und die schwierige Organisation durch die auseinander liegenden Schulstandorte bedingt eine Änderung der Verhältnisse. So wird u.a. überlegt, auch in Schüttorf einen Standort der Kreisberufsschule einzurichten oder eine zentrale neue Kreisberufsschule in Nordhorn, in Bentheim oder in Schüttorf zu bauen. Die Stadt Nordhorn strebt dagegen an, die Städtischen Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen mit der Kreisberufsschule zusammenzulegen.

1957 - Der bisherige Kreisberufsschuldirektor Matthiessen verlässt die Schule. Näheres ist nicht bekannt.

1959 - Die Stadt Neuenhaus bemüht sich, eine Handelsschule für die Niedergrafschaft zu bekommen. Räumlichkeiten stehen in der ehemaligen katholischen Volksschule zur Verfügung. Der Ministerpräsident Hellwege sagt bei einem Besuch in Neuenhaus eine baldige Prüfung zu (GN, 6.4.1959). Vertreter der gewerblichen Wirtschaft der Obergrafschaft wenden sich in einer Resolution gegen die Zentrierung des Berufsschulwesens und fordern die Anerkennung der Kreisberufsschule als voll ausgebautes Berufsschulsystem (GT, 2.7.1959)

1961 - Der Regierungspräsident schlägt vor, eine "Berufsschulgemeinschaft" zu bilden und in einem Neubau in Nordhorn die beiden Schulen, die Kreisberufsschule und die Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen Nordhorn unterzubringen und den Stützpunkt Bentheim zu erhalten.

Nach einem Organisationsplan sollen die einzelnen Schulen umfassen (GN, 17.1.1961):

1. Berufsschule Nordhorn: Metallgewerbe, Textilgewerbe, Hauswirtschaft, Kaufmännische Berufsschule (58 Klassen, 1.427 Schüler);
2. Kreisberufsschule Nordhorn: Baugewerbe, Holz, Maler, Fleischer, Fleischverkäuferinnen, Bäcker, Friseure,  Schuhmacher, Polsterer, Schneiderinnen, Näherinnen (27 Klassen, 630 Schüler);
3. Kreisberufsschule, Stützpunkt Bentheim: Metallgewerbe, Kaufmännische Berufsschule, Hauswirtschaftliche Berufsschule (15 Klassen, 380 Schüler).

1962 - Der Kreistag gründet am 22. Oktober 1962 einen Berufsschulzweckverband, beschließt eine Konzeption über die Gliederung der Zweckverbandsschule und den Neubau von Berufsschulgebäuden in Nordhorn und Bentheim. Die Zweckverbandsschule soll in drei Sparten - gewerbliche Berufsschule, kaufmännische Berufsschule und hauswirtschaftliche Berufsschule - mit je einem Leiter gegliedert werden. Die Baumaßnahmen sollen in den nächsten zwei Jahren beginnen (GN,23.10.1962).

1964 - Mit Wirkung vom 1. April 1964 ordnet der Regierungspräsident die Zusammenlegung der Kreisberufsschule und der Städtischen Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen Nordhorn an. Es erfolgt folgende Gliederung:
- Eine Anstalt mit gewerblicher Berufsschule, hauswirtschaftlicher Berufsschule und den Berufsfach- und Fachschulen
- Eine Handelslehranstalt

Der Leiter der gewerblichen und hauswirtschaftlichen Berufsschule ist Berufsschuldirektor Scholle. Mit der vorläufigen Leitung der Handelslehranstalt wird Oberstudienrat Drolshagen beauftragt.

Ab 1. April wird Neuenhaus als Schulort aufgehoben. An den beiden anderen Schulorten, in Nordhorn und Bentheim, bleiben alle drei Sparten der Berufsschule bestehen (GN, Ende März 1964).

Mit dieser Verfügung endet die Geschichte der Kreisberufsschule.

Quellen:
Heinrich Voort, Die gewerbliche Fortbildungsschule in Bentheim, Bentheimer Jahrbuch 1986, Seite 177
Heinrich Voort, 700 Jahre Gildehaus, 1992; hier: 6.4 Fortbildungsschule, Seite 206,
Wilhelm Hagerott, 200 Jahre  Bentheimer Volksschulgeschichte. In: Bad Bentheim - Aspekte einer Stadtgeschichte, Das Bentheimer Land, Band 138, 1996, Seite 347,
Chronik der Berufsbildenden Schulen des Landkreises Grafschaft Bentheim in Nordhorn, 2004
andere Quellen, Fundstellen im Text angegeben.

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