Grafschafter Schulgeschichte

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Eberhardt

Biographien Grafschafter Lehrerinnen und Lehrer

Heinrich Eberhardt
1917 - 2006

Am 15. Dezember 2006 verstarb Heinrich Eberhardt im Alter von 89 Jahren. Er war Lehrer, Erzieher und Schulleiter an mehreren Schulen. Er hat sich um die Entwicklung des Schulwesen in der Niedergrafschaft verdient gemacht.

Der Lebens- und Berufsweg von Herrn Eberhardt wurde in starkem Maße beeinflusst durch die Geschichte des deutschen Volkes in der Kriegs- und Nachkriegszeit, es wurde noch mehr beeinflusst durch die Entwicklung des Schulwesens im Lande Niedersachsen und besonders in der Niedergrafschaft, die während seiner Berufstätigkeit gekennzeichnet ist durch die drei Etappen: Kleine Landschule, Mittelpunktschule und Orientierungsstufe als Eingangsstufe des Sekundarbereichs I.

Heinrich Eberhardt wurde am 16. September 1917 in Neuenhaus geboren. Er besuchte die Volksschule und die Mittelschule in Neuenhaus und anschließend die Oberrealschule in Nordhorn, an der er 1937 das Abitur bestand. Seine Vorliebe für die Fächer Deutsch, insbesondere Literatur, sowie Religion und Geschichte führte schon früh zu dem Wunsch, Lehrer zu werden. Er bewarb sich bei der Pädagogischen Hochschule Dortmund und wurde dort zum Wintersemester 1937/38 zum Lehrerstudium zugelassen.

Die Aufnahme des Studiums sollte sich jedoch um genau zehn Jahre verzögern, denn Heinrich Eberhardt wurde zunächst zum Arbeitsdienst und anschließend zum Militärdienst eingezogen. Als Oberleutnant und Kompanieführer in einer Fallschirmjägerdivision geriet er 1944 in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde erst nach einiger Zeit in der Internierung in den USA im Juli 1946 entlassen. Nach einjähriger Tätigkeit als Verwaltungsangestellter bei der Stadt Neuenhaus konnte er sein Studium am 1. Oktober 1947 an der Pädagogischen Akademie in Wuppertal beginnen.

Nach dem Studium wurde Herr Eberhardt 1949 mit 32 Jahren als außerplanmäßiger Lehrer in den Schuldienst eingestellt und als 2. Lehrer der zweiklassigen Volksschule Alexisdorf zugewiesen. Sein Anfang war wahrlich nicht einfach. Da es in Alexisdorf keine Wohnmöglichkeit gab, musste er täglich mit der Bahn von Neuenhaus nach Großringe und anschließend mit dem Fahrrad nach Alexisdorf fahren.

Wegen dieser auf Dauer unzumutbaren Bedingungen wurde er auf eigenen Antrag nach Emlichheim-Weusten versetzt und übernahm dort ebenfalls die 2. Lehrerstelle an der zweiklassigen Schule. Mit dem Schulleiter der Schule, dem noch heute im Raum Emlichheim und darüber hinaus bekannten Lehrer Schuckert arbeitete er gut zusammen. Beide befruchteten sich gegenseitig. Nach sechs Jahren verließ Herr Eberhardt Emlichheim-Weusten, um Hauptlehrer der vierklassigen Volksschule Großringe zu werden.

Über seine Tätigkeit in Großringe schrieb der damalige Schulrat Thielke: „Der Hauptlehrer Eberhardt zeigt im Unterricht, dass er auch unter schwierigen Bedingungen durch konsequente und zielstrebige Arbeit einen beachtenswerten Wissensstand seiner Kinder erreicht hat. Er unterrichtet sachlich klar, pädagogisch geschickt und stufengerecht. Dadurch fordert und fördert er seine Schüler gleichermaßen. Als Schulleiter hat Herr Eberhardt es verstanden, durch jahrelange planvolle Arbeit die äußeren und inneren Bedingungen für seine Schule so zu gestalten, dass neuzeitlicher Unterricht möglich ist. Zweimal ist während seiner Amtszeit die Schule erweitert worden, und die Ausstattung der Räume, sowie des Lehrmittelraumes und der Bücherei können als vorbildlich gelten. Im Verhältnis zu den Lehrern seiner Schule hat Herr Eberhardt gezeigt, dass er den meist jungen Kollegen als beratender Mentor wertvolle Hilfen geben kann. In der Gemeinde ist Herr Eberhardt geachtet und angesehen, er genießt das Vertrauen der Eltern und des Schulvorstandes.“ Auch außerhalb der eigentlichen Schularbeit war Herr Eberhardt voll anerkannt. So war er mehrere Jahre lang Vorsitzender des Ortslehrervereins Emlichheim im Gesamtverband Niedersächsischer Lehrer und lange Jahre Mitglied des Kirchenrates der reformierten Kirchengemeinde Emlichheim, wo er häufig Lesegottesdienste durchführte.

Nach 12-jähriger Tätigkeit in Großringe endete für ihn die 1. Etappe seine Berufsweges: die Arbeit in der kleinen Landschule. Am 1. April 1968 wurde er zum Rektor ernannt und nach Wilsum versetzt. Damit begann die 2. Etappe, die Arbeit an der „Mittelpunktschule.“

Die Entstehung der Mittelpunktschulen in Niedersachsen ging zurück auf die „Barsinghäuser Gespräche“, die vom Kultusministerium mit dem Nds. Landvolkverband und den kommunalen Spitzenverbänden 1957 bis 1966 geführt wurden. In den dort erarbeiteten Empfehlungen hieß es: „Die Dorfschule vermag heute nicht mehr allgemein die Ansprüche erfüllen, die die Landbevölkerung an die Bildung der Jugend auf dem Lande stellen muss und stellt. Es erfüllt alle Verantwortlichen mit ernster Sorge, dass als Folge davon die Oberstufe verarmt und viele Kinder in weiterführende Schulen abwandern, auch wenn sie deren Abschluss nicht erstreben.. Sie werden so dem Dorf entfremdet, ohne eine abgerundete Schulbildung zu erwerben. Es ist daher anzustreben, die ländliche Volksschule so auszugestalten, dass sie der Jugend auf dem Lande eine Bildung vermittelt, die gleichwertig der des Stadtkindes ist. Die Landschule soll fest in der dörflichen Umwelt wurzeln, heimatliche Sprache und Sitte pflegen und ihren Bildungswert aus den wesenseigenen Kräften des Landes empfangen.“

Wenn die Entwicklung des Schulwesens auch über diese Empfehlungen hinausgegangen ist, so galt diese letzte Aussage doch für Herrn Eberhardt stets als Richtschnur für sein Handeln in der Schule. Dies führte sehr schnell dazu, dass er von der Elternschaft des Raumes Wilsum als Schulleiter und Lehrer voll anerkannt war und die Schule Wilsum einen guten Ruf erhielt. Als es dann um die Einführung der Orientierungsstufe in der Niedergrafschaft ging, war Herr Eberhardt bereit, die Orientierungsstufe Uelsen in der Planungsphase ab 1971 mit aufzubauen und ab 1973 die Schulleitung dieser Schule zu übernehmen. In Zusammenarbeit mit dem Kollegium und in regelmäßigen Schulleiterbesprechungen der Orientierungsstufenleiter aus Emlichheim, Uelsen und Neuenhaus trug Herr Eberhardt wesentlich mit dazu bei, dass alle Schwierigkeiten in dieser neuen Schulform ausgeräumt werden konnten. Durch seine Arbeit konnten die anfänglichen Vorbehalte, die gegen die Orientierungsstufe geltend gemacht wurden, im Wesentlichen ausgeräumt werden.

Nach seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1983 war Herr Eberhardt weiterhin für das Schulwesen in der Niedergrafschaft tätig. Es erfüllte ihn schon lange mit Sorge, dass alte Schulstandorte wie Egge, Ratzel, Gölenkamp, um nur einige zu nennen, in Vergessenheit geraten würden. Er begann deshalb, die Geschichte dieser Schulen anhand der vorliegenden Schulchroniken und weiterer Nachforschungen aufzuarbeiten. So entstanden aufschlussreiche und interessante Bücher, in denen auch die Geschichte der einzelnen Gemeinden dokumentiert wurde, im Einzelnen: die Schulen aus der Samtgemeinde Uelsen, die Emlichheimer, Ringer und Neuenhauser Schulen. Diese Bücher waren auch Quellen für die „Schulgeschichte der Grafschaft Bentheim“, die hier vorliegt.

Herr Eberhardt war auch in der Gemeinde Wilsum, wo er weiterhin wohnte, aktiv. So war er jahrzehntelang sehr eng mit dem Männergesangverein des Ortes verbunden. Im Jahre 1969 übernahm er die Leitung der dortigen Laienspielschar und wurde 1991 zum Ehrenspielscharleiter ernannt. Ab 1975 war er Mitglied im Sportverein. Zusammen mit seiner Frau gründete er im Jahre 1987 die Wanderabteilung des Vereins, die in der Gemeinde viel Anklang fand. Als Autor war Herr Eberhardt maßgeblich an der Erstellung der Festschrift zum 40-jährigen Vereinsjubiläum beteiligt.

Heinrich Eberhardt heiratete 1944 während eines Kriegsurlaubs. Er lernte seine Frau, die aus dem Sudetenland stammte, in Nordhorn kennen. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen. Nach fast 62-jähriger harmonischer Ehe starb Frau Eberhardt zehn Monate vor ihm im Februar 2006.

Heinz Ragnitz 2006
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