Grafschafter Schulgeschichte

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Nhs-34

Entwicklung des Schulwesens in Neuenhaus

Neuenhauser Schulen in der "guten, alten Zeit"

von Ludwig Sager

Am Freitag, 28. Februar, wird das neu erstellte Mittelpunktschulgebäude als neues Glied dem Neuenhauser Schulwesen eingefügt. Vom 5. Schuljahr an werden auch die Schüler der umliegenden Gemeinden diese Schule besuchen. Die neue Zeit, die Wirtschaft, der allseitige Wettbewerb stellen höhere Anforderungen an die Jugend als die Vergangenheit. Dieser erweiterten Aufgaben gerecht zu werden, dient auch das neue Schulsystem.

Mit den beiden Volksschulen, der Realschule und dem Gymnasium, der vorgesehenen Sonderschule und den beiden Abteilungen der Landwirtschaftsschule, alle mit weitmöglichster Stellenbesetzung, glaubt Neuenhaus, ehrenvoll die Anforderungen der Zeit bestehen zu können. Wer heute das kulturelle Schulzentrum der Stadt durchwandert und glaubt, der Vergangenheit, der "guten, alten Zeit" nachtrauern zu müssen, dem möchte der Chronist über schulische Verhältnisse aus der Vergangenheit unserer Stadt berichten.

Seit der Reformation hatte das im Mittelalter ganz daniederliegende Schulwesen einen merklichen Aufschwung genommen. Das vom Grafen Arnold II. 1605 errichtete Inspektorat hatte die Aufsicht über die Schulen der Grafschaft Bentheim. Berühmte Gelehrte der Burgsteinfurter Hochschule standen diesem Amte vor, zunächst die Theologieprofessoren Conrad Verstimus, Dr. Ravensperger und der Rechtgelehrte Pagenstecher. Nun gab es wohl in den Städten und Dörfern Kirchspielschulen. Je nachdem, wie das Bildungsbedürfnis und das Verantwortungsbewusstsein der Eltern war, setzten sich auf dem platten Lande im Kampf gegen Stadt und Kirchdorf kleine Schulen durch. Im Kampf auch gegen anerkannte Schulmeister und Küster, die in der Errichtung von Nebenschulen eine Schmälerung ihres Einkommens sahen. Zuweilen hatte die Behörde Anlass einzugreifen, wo irgendein "hergelaufenes Subjekt" eine Schule aufmachte. Da hören wir von 1618 von einem "soldat, so ein trommelschlager gewesen", der sich auf dem Teich, dem Vorort von Neuenhaus, als Schulmeister niedergelassen und der Stadtschule Abbruch tat. Der Oberkirchenrat wies Richter und Bürgermeister an, die Eltern von der Unterweisung ihrer Kinder durch den "Trommelschlager" zu warnen. Im Jahre 1651 wurde von ihm abermals "resolviert" (beschlossen): "Wegen der Nebenschule soll auch das mandat fürsamst publiziert werden, dass keine Nebenschulen sollen geduldet, welche nicht von hoher Obrigkeit zugelassen". Erinnert sei an den harten Streit, den 1663 Osterwald mit Veldhausen führte, die der Bauerngemeinde ein "absonderlicher Schulmeister für Solche kleine Jugend anzuordnen geuhrlaubt werden möchte. Mit dem Beding, dass der Kirchspielschule in Veldhausen kein allzugroßer Schaden veruhrsachet würde".

In Neuenhaus hatte "ein Erbarer Rhatt" bereits erkannt, dass die bestehenden "Teutschschulen" für Kinder, die studieren wollten, als Vorschulen nicht genügten. Auf Drängen der Steinfurter Hohen Schule, der gräflichen Beamten und des Oberkirchenrates beschloss dann jener "Erbarer Rhatt" 1616, einen "Schullmeister vor die Lateinischen Knaben zu Poaschen (Ostern) 1616 ausetzen zu wollen", darauf ferner "aus Ihrer Statt Mittel Jairligß Auf Niejair legen dreißig Rheichsthaler, beß daher man sehe, wie weit sich Collekta erstrekken wirrt". Die Kirchenratsprotokolle, eine gute Quelle für die Neuenhauser Schulgeschichte, wissen von ihrem Dornenweg viel zu erzählen. Hören wir zunächst von der Unterdrückung der Lateinschule. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sie sich zur privaten Rektor-, dann zur Mittel- und Realschule. In ihrem ersten Stadium musste sie sehen, wo sie Unterkunft fand, wo ein Unterrichtsraum zu mieten war. Den Dreißigjährigen Krieg hat sie wohl nicht überstanden. Vielleicht lebte sie für einige Zeit wieder auf, wenn ein tüchtiger Pastor sich ihrer annahm und fremdsprachlichen Unterricht gab.

Das zu unserer Zeit, in der jetzigen Marktstraße gelegene, abgerissene Hinterhaus des Hochklimmerschen Hauses am Markt trug über der Eingangstür die Inschrift "Dei cultus Praecipuus Anno 1716" (Gottes Dienst das Wichtigste). Hier hat die Lateinschule vielleicht eine Zeitlang ein Unterkommen gefunden, später im Haus Brünemann am Seifendamm, dann im Peterschen Hause und in einem Rathausraume. Vorgebildete Lehrer waren schwer zu finden, es sei denn ein im Predigtamt gescheiterter Kandidat wie der spätere Schüttorfer Rektor Sch. oder der ehemalige Hauptmann Staehle. Die Bezahlung, teils durch Kollekten, lockte keinen tüchtigen Schulmann. Der fortwährende Lehrerwechsel an der Lüppeschen Schule am Seifendamm ist dafür ein Beweis.

1874 fand sie halbwegs ein festes Unterkommen in dem gestifteten Neubau am Rathaus. Eine Quelle des Ärgers war hier die strittige Frage des Besitzrechtes. Von dem Landphysikus Dr. Köhler und Konsul Rooßingh als "städtische Schule" gestiftet, wirkten fortan Mittel- und evangelische Volksschule hier unter einem Dach. Als jene dann Aufschwung nahm, die Schülerzahl und die Raumnot sich erhöhten, kam sie in schwere Bedrängnis und musste wieder Nebenräume suchen. 1904 war sie städtische Rektor-, 1926 anerkannte Mittelschule geworden. Als sich ein weiteres Stiftungsprotokoll von 1882 fand, dass mit der 1874 gestiftete "städtischen Schule" die evangelische Volksschule gemeint war, spürte die gehobene Schule wiederum, wie heimatlos an Raum sie immmer noch war. Dass schulische Angelegenheiten bei Abrechnungen nur auf der "Sollseite" erschienen, weder Taler noch Gulden abwarfen, nahm man als unabwendbar hin. Unter diesen Umständen blieb gerade die städtische Mittelschule in die Ecke gedrückt als Stiefkind. Ihre große Schwester, die Volksschule, war zwar nicht verwöhnt, musste aber vielfach mit Kreide und Tinte aushelfen, Landkarten zur Verfügung stellen und neue Bänke dem Hilfsbedürftigen "leihweise" überlassen. Dieser unwürdige Zustand wurde behoben, als die schöne neue Mittelschule ihre Türen öffnete, die Raumnot schon 1950, als die Volksschule Platz machte und die Burgschule bezog.

Werfen wir einen Blick zurück auf den Zustand der Volksschule früherer Jahrhunderte. Die Akten des Oberkirchenrates wissen wenig Gutes darüber zu berichten. "Der benutzte Schulraum ist dermaßen baufällig, dass Zimmermann Jan Mensing beauftragt wird, ein neues Schulhaus zu errichten. Aber er kam und kam nicht weiter damit und musste ernstlich ermahnt werden, um "den bouw vort te setten". Im folgenden Jahr wurde festgestellt, dass "Meester Jan Meusincks Gebouw van de Schole niet op sien bestek heeft gemaecket, de balcken ende de Posten te koort, dat de heeren Borgermeesters´t holtwerk willen bekieken end maten laaten". Er soll "de ontfangene pennigen restituieren ende moet vin nijs dabi".

Noch nach Monaten sitzen die Schulbediensteten Pröbsting und Weerning im alten Schulhause und "hebben gedemonstreert over de groote gevaar bz de oogenschynlike bouvöligkeit der schoolen". Schulbedienstete und auch Pastor Metlerkamp klagen mehrfach über schlechte Bezahlung "wegen hun tractement rackende de School, war op geresolvert is, dat de Loonheer de betalinge met eernst soude oplegt worden". Dem Schoolemeester Jan Reimerinck wird in der gleichen Sitzung 3.2.1683 "syn tractement verbetert met twe müdden roggen ende vyff Ryksdaler jaerliks uit handen von einen tydliken Diaken te ontfangen".

Anlässlich der 600-Jahr-Feier unserer Stadt wird das damit zusammenhängende Schrifttum sehr eingehend sein. Da heißt es an einer Stelle: "Durch gräfliche Privilegien und Schenkungen konnte das von allen Seiten eingeengte Gemeinwesen sich aufrecht erhalten". Zum Teil trifft das auch für die Schule zu.

Am Ende des 18. Jahrhunderts ließen der Kammerherr Kloppenburg und seine Ehefrau B. E. Grim auf ihre Kosten in der Voigtstiege eine Schule bauen, um der Raumnot abzuhelfen. Teilweise musste es aber bald als Armenhaus benutzt werden. Die Stifter verstarben. Das 1794 errichtete Haus blieb ohne Pflege, die Räume waren kalt, das Dach leckte durch, der Kampf gegen die "Wandläuse", Wanzen, blieb ohne Erfolg. Der Lehrer und Stadtschreiber Tormijn beantragte neue Räume, doch im Rat "was man eenparing van mening, dat het den Overkerkenrath moet worden toegezonden, en darby gevraft, of wy doortoe verpligt waren, en so ´ja`woor wy den penningen moeten soeken: derwyl ze hier ter Stede niet te vinden".

Nein, Geld für die Schule war in Neuenhaus nicht zu finden. An allen Ecken und Kanten musste gespart werden. Die Lehrer Tormijn und Veldmann wachten eifrig darüber, dass die von jedem einzelnen betreute Schule - die beiden Schulen waren getrennt - von vielen Kindern besucht wurde. Und Ende der zwanziger Jahre erhoben auch noch die "Roomschen" Anspruch auf eine Schule, wozu es 1830 auch kam. Im kalten Dezember 1829 baten die "Schoolmeesters", den Satz für Torfliefeung von 9 auf 12 Gulden zu erhöhen. Großzügig wurde das zugesagt, allerdings nur für das laufende Jahr. Dazu ein Kirchenratsbeschluss von 1827: "Endelyk wird gesproken over den inkt (Tinte) in de Schoolen, wovoor de kinderen, nach kerkenraats mening, niet meer voor moesten betalen, dan 1 1/2 Stuiver (etwa 12 1/2 Pfennig) in het vierendeeljaar.

Als der verdienstvolle Tormijn in den besten jahren erkrankte, "vand man het dienstig, den Konikl. Overkerkenraat te verzoeken, um het hunne (das Seine) by de dragen, to erlanging van eenen bequamen (passenden) Seminarist uit het Osnabrücksche of Hannoversche Institut". Mehr als 223 Gulden konnten dafür nicht eingesetzt werden, unter 400 Gulden war aber ein seminaristisch vorgebildeter Lehrer nicht zu bekommen. Als sich ein solcher um die Neuenhauser Stelle bewarb, es war der Lehrer Schächter aus Bacum, der Urgroßvater des zeitigen Chronisten, winkte der Kirchenrat ab: Neuenhaus müsse sich aus finanziellen Gründen mit einem "onderleerer" begnügen.

Quelle: Nachlass Ludwig Sager, der Text entstand im Februar 1969
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