Grafschafter Schulgeschichte

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Nhs-43

Entwicklung des Schulwesens in Neuenhaus

Zum 100. Geburtstag von Jan Harm Kip

von Johann Arends, Bürgermeister der Samtgemeinde Neuenhaus

Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, gleich auf ein ganzes Jahrhundert gelebtes Leben zurückblicken zu können. Auf eine Lebenszeit, in der sich in Politik und Gesellschaft, in Technik und Lebensweise so vieles verändert hat. Dem Schulmann, Ältestenprediger, plattdeutschen Erzähler und Heimatforscher Jan Harm Kip aus Neuenhaus – noch dazu geistig fit wie eh und je – wird diese Gnade morgen zuteil.

Am 14. August 1911 zur Zeit des Kaiserreichs in Bimolten geboren, wuchs er auf dem kleinen Hof seiner Eltern auf. Er ging noch nicht zur Schule seines Heimatortes, da brach der Erste Weltkrieg aus, den sein Vater vom Anfang bis zur Kapitulation 1918 als Soldat erlebte. In dieser Zeit führte seine Mutter den Hof.

In seinen Lebenserinnerungen schreibt Jan Harm Kip, dass er bereits mit zehn Jahren leichte Arbeiten in der Landwirtschaft verrichtete. Dass seine Interessen und Begabungen aber mehr auf geistigen Gebieten lagen, dafür spricht die Tatsache, dass er bereits vor der Einschulung im Alter von fünf Jahren lesen und schreiben konnte. Aus eigenem Antrieb meldete er sich selbst 1925 für die neu gegründete Aufbauschule in Nordhorn an, die später das Gymnasium wurde. Nicht seine Lehrer, nicht seine Eltern, sondern der gerade 14-jährige Jan Harm Kip selbst stellte damit eine wichtige Weiche für seinen weiteren Lebensweg. Seine Eltern zahlten das Schulgeld, was ihnen sicherlich nicht leicht fiel. Als Mahnung gab der Vater ihm mit: „Leären maggse wall, men wenn du sitten bliffs, dann kumms du weär an de Messgrepe“.

Nach dem Abitur studierte er an den pädagogischen Hochschulen Hannover und Dortmund. Es folgte die erste Lehrerprüfung 1933 und 1934 die erste Anstellung in Vorwald. Weitere Stationen waren Uelsen, Georgsdorf und nach dem Zweiten Weltkrieg Alte Piccardie und Bentheim.

1953 übernahm Jan Harm Kip die Schulleiterstelle der Mittelschule Neuenhaus, die er 15 Jahre lang führte. Er setzte sich für die Gründung eines Schulzweckverbands ein, der später 26 Gemeinden von Emlichheim bis Bimolten umfasste. Seiner Überzeugungskraft, seinem Verhandlungsgeschick und seiner persönlichen Integrität ist es zu verdanken, dass im Jahr 1956 alle beteiligten Gemeinderäte den Zweckverband „Mittelschule Niedergrafschaft“ gründeten. Neuenhaus wurde zentraler Bildungsstandort in der Niedergrafschaft. Jan Harm Kip wurde Schulrat des Schulaufsichtskreises Nordhorn/ Obergrafschaft. Er blieb auf diesem Dienstposten bis zur Pensionierung.

Jan Harm Kips erste Muttersprache ist Plattdeutsch. Als Mitglied im Plattproater Kring“ hat er dort seinen historischen und sprachlichen Sachverstand immer zur Verfügung gestellt. Dabei ging es ihm nicht nur um die Sprache als solche, sondern auch um den Menschen in seiner Sprache, wie er es selbst formuliert hat. Zusammen mit Eckhard Woide hat er bei der Herausgabe des umfangreichen Werks „Stads Ordonnantien/Stadtverordnungen der Stadt Neuenhaus 1601-1672“ mitgearbeitet und viele Passagen aus dem Niederländischen übersetzt. Uns wurde damit ein heute lesbares, wertvolles und historisches Werk geschenkt.

Viele plattdeutsche Predigten hat Jan Harm Kip sowohl in der Grafschaft als auch im benachbarten Emsland gehalten. Unvergessen ist seine Predigt in plattdeutscher Sprache 1959 auf dem Niedersachsentag in der Alten Kirche in Nordhorn. Etwa 1600 Menschen saßen oder standen in dem Gotteshaus und hörten zu. Aber nicht nur plattdeutsche Predigten hat er gehalten. Bereits 1958 wurde er als erster ehrenamtlicher Ältestenprediger der Grafschaft Bentheim in Neuenhaus ordiniert. Jahrzehnte lang hat er in der reformierten Kirchengemeinde den Pfarrer in allen Amtshandlungen vertreten.

Sich mit dem Glauben an Gott und den sich daraus ergebenden Sinnfragen des Lebens zu beschäftigen, war Jan Harm Kip immer besonders wichtig. Als sein ehemaliger Schüler erinnere ich mich nach fast 50 Jahren noch gut daran. Im Schulalltag kannte er fast jeden Schüler und wusste mehr über unsere Stärken und vor allem Schwächen, als uns lieb war. Er war eine starke Persönlichkeit und strahlte Respekt, Disziplin und Verlässlichkeit aus. Er forderte Leistungsbereitschaft.

Diejenigen, die ihre Pflicht taten, ließ er gewähren und lobte gute Leistungen. Für Faulheit zeigte er kein Verständnis. „Ick wett et wall, du hess wear dienen leuen sett und door möt ick die es overto helpen“, sagte er dann. Ganze Schülergenerationen haben ihm zu danken. Als ich ihm 2002 zum ersten Mal als Repräsentant der Stadt einen Geburtstagsbesuch abstattete, verabschiedete er mich mit dem Satz: „Mak de watt van.“ Nach diesem Satz lebt er sein Leben auch heute noch.

Quelle: GN, 13.8.2011
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