Grafschafter Schulgeschichte

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NOH-65

Entwicklung des Schulwesens in Nordhorn

Entwicklung der Schule in Nordhorn von 1465 bis zur Gegenwart

(Vortrag von Heinz Ragnitz am 6. Juli 1990 anlässlich des 60. Geburtstages des Neubaus der Frensdorfer Schule in Nordhorn an der Friedrich-Ebert-Straße)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schüler!

Vor 60 Jahren, am 30. April 1930, wurde das jetzige Schulgebäude der Frensdorfer Schule seiner Bestimmung übergeben. Für die Schule ist dies der Anlass, ein besonderes Jubiläum zu feiern. Gleichzeitig ist es 525 Jahre her, dass das Schulwesen in der Stadt Nordhorn erstmalig erwähnt wurde. Am 6. März 1465 erhielt der Rat der Stadt Nordhorn von Graf Everwin zu Bentheim das Recht zugesprochen, die Lehrerstellen der Nordhorner Schule zu besetzen und darauf zu achten, dass die Lehrer ihre Aufgaben erfüllen.

Für mich ist der Tag Anlass, einen Blick zurückzuwerfen in die Schulgeschichte von Nordhorn, wobei auch Hinweise auf die Geschichte dieses Ortes von Belang sind.

Das heutige Gebiet von Nordhorn ist seit frühen Zeiten bäuerliches Siedlungsland gewesen. Links der Vechte lag die Bauernschaft Frensdorf, rechts der Vechte lagen Bakelde, Bimolten, Bookholt und Hesepe. In der Frankenzeit, im 9. Jahrhundert, entwickelte sich auf dem Gemeindegebiet von Bakelde an der Vechte eine Ansiedlung, die den Namen Northornon trug. An dieser Stelle überquerte der Handelsweg von Hamburg und Bremen nach Holland und Flandern die Vechte. Auf dem Gildkamp entstand für die Bauerschaft Frensdorf, Bakelde, Bookholt, Bimolten und Hesepe, zunächst auch noch für Brandlecht und Wietmarschen, eine Kirche. Hier wurden die Toten bestattet. Durch die Ansiedlung von Handwerkern, Krämern und Fahrensleuten entstand ein reges wirtschaftliches Leben. Im Jahre 890, vor 1100 Jahren, wurde das Dorf Nordhorn erstmals urkundlich erwähnt. Weitere urkundliche Erwähnungen von Nordhorn als Kirchspielort erfolgten 1050, 1184, 1249 und 1255.

Im 14. Jahrhundert bauten die Grafen von Bentheim ihre Wirtschaftsbeziehungen nach Holland weiter aus. Für den Transport von Sandsteinen aus der Obergrafschaft und von Wirtschaftsgütern aus Westfalen benötigten sie die Vechte als Schiffsweg. Diese war jedoch nur ab Nordhorn schiffbar. Auf der Insel in der Vechte wurde ein Lagerplatz für Sandsteine angelegt. Zum Schutz wurde an der Stelle, an der heute die Augustinuskirche steht, eine gräfliche Burg errichtet. Nachdem Schüttorf 1295 und Neuenhaus 1365 die Stadtrechte verliehen wurden, erhielt die Ansiedlung auf der Vechteinsel 1379 die gleichen Rechte wie die Stadt Schüttorf zugesprochen. 1979 feierte Nordhorn deshalb das 600jährige Stadtjubiläum. In dem Maße, wie die Stadt Nordhorn auf der Vechteinsel an Ansehen gewann und zur wirtschaftlichen Blüte aufstieg, verlor das alte Dorf Nordhorn am Gildkamp an Bedeutung. Es wurde schließlich zum „alten Dorf“, zu Altendorf. Wahrscheinlich wird seit der Stadtgründung in Nordhorn Schule gehalten. Aber erst seit 1465 stand dem Rat Nordhorn das Recht der Stellenbesetzung und der Schulaufsicht zu.

Im Gegensatz zu den Lateinschulen bestand das wesentliche Kennzeichen dieser frühen „Volksschulen“ darin, dass die Vermittlung von Lerninhalten in deutscher Sprache vorgenommen wurde. In erster Linie wurden in diesen Schulen den Kaufleuten die Mindestvoraussetzungen zur Ausübung ihres angehenden Berufes beigebracht, nämlich deutsche Briefe lesen und schreiben zu können. Der Rechenunterricht war anfangs die Aufgabe besonderer Lehrmeister, im Laufe der Jahre aber wurde dieses Fach in die „Schreib- und Leseschule“ mit aufgenommen. Für die gesamte Schulentwicklung spielte die Reformation eine bedeutsame Rolle, denn die Forderung einer allgemeinen religiösen Volkserziehung war ein Kernpunkt in ihrem Programm. Der Religionsunterricht wurde zu einem Hauptbestandteil des Unterrichts.

In der Grafschaft Bentheim entstanden nach der Reformation Kirchspielschulen in Uelsen, Emlichheim, Veldhausen, Wilsum, Gildehaus, Brandlecht und Ohne. Die Schulen in den Städten Bentheim, Schüttorf, Neuenhaus und Nordhorn wurden unter dem Einfluss der Reformation verpflichtet, auch für die religiöse Unterweisung zu sorgen. Hierdurch bedingt nahm der Einfluss der Kirche auf die Schulen zu. Bis 1700 besetzte der Rat der Stadt Nordhorn die Lehrerstellen allein. Danach besorgten der Rat der Stadt und die Kirchenbehörde es gemeinsam, was häufig zu Streitigkeiten führte, wie in alten Schriften und Protokollen nachgelesen werden kann.

Die Schuljugend aus den Bauernschaften war damals verpflichtet, auch die Schule in Nordhorn zu besuchen. Das Schulehalten zählte nämlich in der damaligen Zeit wie die Herstellung von Backwaren, Schuhen und Geräten zu den bürgerlichen Gewerben und war deshalb den Bauern verboten. Nordhorn hatte aber auch großes Interesse daran, dass die Landjugend aus den umliegenden Dörfern in Nordhorn zur Schule ging, da die Schüler als Boten den Kaufleuten und Handwerkern manchen Auftrag brachten. Nordhorn und die anderen Kirchspielorte sträubten sich deshalb energisch gegen eine schulische Strukturänderung dieser für sie günstigen Verhältnisse.

Aber der Wunsch der abgelegenen Dörfer, für ihre Kinder eine so genannte Bauerschafts- oder Nebenschule zu errichten, wurde immer stärker, zumal die Gehöfte z.B. in Bimolten oder Hohenkörben bis zu 10 Kilometer und mehr von der Nordhorner Schulzentrale entfernt lagen, die Schulwege sich in einem schlechten Zustand befanden und zu Fuß zurückgelegt werden mussten. Der Rat der Stadt versuchte immer wieder, den Kirchenrat als Schulaufsichtsbehörde von einer Genehmigung der Bauernschaftsschulen, welche nahe bei der Stadt eingerichtet werden sollten, abzuhalten. So gelang es ihm noch 1745, in Frensdorf das Schulehalten zu verbieten, wie aus einem Protokoll hervorgeht.

Leider wird es kaum möglich sein, die Schulgeschichte dieser Bauernschaftsschulen bis etwa 1858 aufzuhellen, denn Protokolle der Gemeinderäte dieser Bauernschaften liegen nicht vor. Erst nach 1872 wurden die Schulen generell verpflichtet, regelmäßig eine Schulchronik über die Entwicklung und Gestaltung der Schulen zu führen. Über die „Leistungsfähigkeit“ der Bauernschaftsschulen kann man sich anhand des folgenden Zitates aus einer dieser Schulchroniken einen guten Eindruck verschaffen:

„Das Volksschulwesen in der Grafschaft Bentheim ließ in der frühen Zeit viel zu wünschen übrig. Es wurde nur in den Wintermonaten unterrichtet und in den Sommermonaten war gar keine Schule. Wenn die Zeit herannahte, d.h. der Herbst oder der Winter sich einstellte, wurde es in der Gemeindeversammlung zur Sprache gebracht, dass wieder ein Lehrer zu wählen sei. Die Kenntnisse bei einem Lehrer waren genügend, wenn er ziemlich gut schreiben, in der Bibel lesen und etwas rechnen konnte. In der Regel waren alte Schäfer zu haben, welche mit diesen Unterrichtsgaben begabt waren. Der betreffende Bauer, bei dem der Schäfer diente, wurde beauftragt, ihm die Lehrerstelle für die Winterzeit anzutragen. Das Gehalt betrug durchschnittlich 25 bis 30 Gulden im Winter und Reihetisch.“

Aber auch die Verhältnisse in der Stadtschule waren nicht zufriedenstellend. Der Unterricht in Nordhorn wurde lange Zeit in zwei Räumen des Rathauses gehalten, das 1752 in der Hauptstraße erbaut wurde. In den Schulräumen herrschte drangvolle Enge. So schrieb der Lehrer Zwieters im Jahre 1838: „Im vorigen Winter geschah es oft, dass wegen der Menge der Kinder einige Schüler in Ohnmacht fielen und beide Lehrer mit schrecklichen Kopfschmerzen aus der Schule kamen.“ Der Volksmund spöttelte in jener Zeit über die Nordhorner Schule: „Sie gehen alle drin, weil sie nicht alle drin gehen.“ Die Verhältnisse drängten auf die Errichtung eines Neubaus. Da das Stadtinnere dafür keinen Platz mehr bot, musste man vor die Tore gehen und fand dafür ein Grundstück an der Lingener Straße, wo 1864 die so genannte „Lindenschule“ entstand, die dann um weitere Schulgebäude auf dem Gildkamp erweitert werden musste.

Nachdem 1834 die Burgschule für die Kinder der katholischen Bürger in der Kapelle auf der Nordhorner Burg errichtet wurde, sonderten sich auch die Altendorfer Schüler 1857 von der Nordhorner Stadtschule ab. Im Laufe der Zeit hatten sich auch alle umliegenden Bauerschaften - Bakelde, Frensdorf, Bookholt, Hesepe, Bimolten, Hohenkörben und Frensdorferhaar - eigene Schulen zugelegt, so dass das Schulwesen des Kirchspiels Nordhorn ein sehr buntes Bild bot.

Zur Errichtung einer regelrechten Lateinschule, wie sie Bentheim, Schüttorf und Neuenhaus besaßen, kam es in Nordhorn nicht. Wer für sein Kind in Nordhorn eine über die Stadt- und Volksschule hinausführende Bildung anstrebte, war auf eine Privatschule angewiesen. Solche kleinen Privatschulen mit fremdsprachlichen Unterricht wurden ab 1700 immer wieder ins Leben gerufen. Um 1870 besuchten 20- 25 Jugendliche aus Nordhorn die Privatschule des Lehrers Ribbing. Das Schulgeld betrug monatlich 5 Taler. Ab 1880 wurde diese so genannte Rektorklasse mit der Volksschule verbunden. 1891 verselbständigte der Magistrat diesen Schultyp und brachte die Rektorschule, wie diese Bildungsanstalt fortan hieß, erst im Rathaus und von 1908 an in einem Gebäude auf der Alten Maate unter. Hieraus ist dann die Mittelschule Nordhorn und heute die Freiherr-vom-Stein-Realschule geworden, die im nächsten Jahr 1991 ihr 100-jähriges Jubiläum feiert. Dagegen ist das Gymnasium am Stadtring als erste höhere Schule der Grafschaft Bentheim erst 1925 als Aufbauschule entstanden und erst seit 1939 eine grundständige Oberschule.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde die Nordhorner Schule mit der Altendorfer Schule vereinigt. Die Frensdorfer Schule erhielt zwei neue Schulgebäude, die heutige Waldschule am Ootmarsumer Weg und die Wasserturmschule, deren Nachfolgeschule seit 1940 die Ernst-Moritz-Arndt-Schule ist. In Bookholt entstand 1910 die zweite Katholische Volksschule, die heutige Pestalozzischule, wenn auch die Anfänge des Bookholter katholischen Schulwesens infolge der Klosterschule in Frenswegen bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen.

Von 1910 bis 1913 stieg die Bevölkerung des Nordhorner Raumes nach dem Aufbau der Firma Rawe in der Busmaate von 9400 auf 12400 Einwohner. Entsprechend stieg die Schülerzahl in dieser Zeit von 1600 auf 2400 Schüler. Zu Beginn des 1. Weltkrieges (1914/15) wurden im eigentlichen Stadtgebiet unterrichtet

- in der Altendorfer Schule 900 Schüler von 16 Lehrern,

- in der Frensdorfer Schule 700 Schüler von 14 Lehrern,

- in Bookholt 70 Schüler von 1 Lehrer

- in Frensdorferhaar 30 Schüler von 1 Lehrer,

- in der Kath. Schule Nordhorn 500 Schüler von 9 Lehrern,

- in der Kath. Schule Bookholt 130 Schüler von 2 Lehrern,

- in der Rektorschule 85 Schüler von 5 Lehrern,

zusammen 2400 Schüler von 48 Lehrern;
also durchschnittlich 50 Schüler von einem Lehrer.

Eine zweite Periode ihres schnellen Aufstiegs erlebte die Stadt Nordhorn durch das Anwachsen der Textilindustrie von 1925 bis 1928. Die Bevölkerung wuchs in dieser Zeit von 13000 auf 18000 Einwohner. Von allen ehemaligen Bauernschaften erlebte Frensdorf den bei weitem größten Zuzug, danach Bookholt, dann Altendorf und den geringsten die alte Urgemeinde Bakelde. Ab 1927 kamen sehr viele Bergarbeiterfamilien aus dem Ruhrgebiet, die schon seit langer Zeit arbeitslos und deshalb der öffentlichen Fürsorge anheim gefallen waren, nach Nordhorn, um in der Textilindustrie unterzukommen und in neuen Berufen wieder geordnete Verdienstmöglichkeiten zu finden. Mit dem Bau von Siedlungshäusern in der ehemaligen „Walachei“, der heutigen Kölner Straße, an der Denekamper Straße bis hin zum Ootmarsumer Weg entstanden als neue Stadtteile Neuberlin und Blumensiedlung.

Für die zum größten Teil kinderreichen, katholischen Familien aus dem Ruhrgebiet war der Weg zur Burgschule zu weit. Außerdem konnten sie in den vorhandenen Klassenräumen nicht mehr untergebracht werden. Nach der Unterbringung von zwei Schulklassen im Saal der Gaststätte Mack, dem „Berliner Hof“ und dem Bau einer Holzbaracke für 3 Klassen entstand 1929 die katholische Marienschule, die dann 1932 von ihrer Stammschule, der Burgschule, getrennt und selbstständig wurde. Für die evangelischen Schüler wurde 1930 das neue Schulgebäude der Frensdorfer Schule an der damaligen Brückenstraße, der heutigen Friedrich-Ebert-Straße, eingeweiht. Heute feiert diese Schule ihr 60jähriges Jubiläum.

Durch den Zuzug der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg ab 1945 nahm die Zahl der Schüler an den einzelnen Schulstandorten gewaltige Ausmaße an. Südlich des Nordhorn-Almelo-Kanals, wo sich in früheren Zeiten weite Sand- und Heideflächen mit zahlreichen Wasserlöchern befanden, die mit ihrem blanken Wasser im Winter zu idealen Eisbahnen wurden, entstand ein neuer Stadtteil, die Blanke. Bereits 1951 wohnten hier etwa 5000 Einwohner, deren Kinder die weiten Wege zur Marienschule und zur Ernst-Moritz-Arndt-Schule zurücklegen mussten. Für diese Schüler baute die Stadt Nordhorn die Ev. Blanke-Schule und die katholische Elisabethschule. Zur gleichen Zeit wurde im Stadtteil Bookholt die Neue Bookholter Schule, die heutige Grundschule am Roggenkamp, errichtet.

Nach ersten Anfängen ab 1937 und einem Neubeginn an verschiedenen Nordhorner Schulen ab 1949 entstand aus der ehemaligen Hilfsschule durch den Bau der Anne-Frank-Schule ein geordnetes Sonderschulwesen für Lernbehinderte, das durch die Schule für Sprachbehinderte auf dem Gildkamp ab 1975 und jetzt durch die neue Sonderschule als Nachfolgerin der Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe erweitert wurde.

Neben der Auflösung der kleinen Landschulen in Bakelde, Bimolten, Frensdorferhaar, Hesepe, Hestrup und Hohenkörben musste das Schulwesen der Stadt Nordhorn in den letzten Jahrzehnten ständig erweitert und schulorganisatorisch neu gestaltet werden. Dies wird durch den Bau des Schulzentrums Deegfeld, der Gerhart-Hauptmann-Realschule in der Blanke und der Stadtflurschule im neuen Stadtteil gleichen Namens deutlich. Dies zeigen u. a. auch die Trennung der Volksschulen in Grund- und Hauptschulen, die Errichtung der Orientierungsstufen, die Umgestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Ausbau des Berufsbildenden Schulwesens.

Meine Damen und Herren, liebe Schüler!

525 Jahre Schule in Nordhorn waren für mich der Anlass, in großen Zügen Rückschau zu halten auf die Entwicklung des Schulwesens in dieser Stadt. Aus der Stadtschule, die anfänglich mehrere hundert Jahre die einzige Schule in Nordhorn war, ist ein weit verzweigtes Schulsystem entstanden. In mehr als 30 Schulen werden mehrere tausend Schüler täglich in kleinen Klassen von pädagogisch versierten Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Die Stadt Nordhorn hat gewaltige Anstrengungen unternommen, um dieses Schulwesen auf den heutigen Stand zu bringen. Hierfür danke ich allen, die dabei erfolgreiche Arbeit geleistet haben.

Ich wünsche allen, dass die Entwicklung des Schulwesens in der Stadt Nordhorn die Fortschritte macht, die für die künftigen Bewohner dieser Stadt und ihre Lebensgestaltung erforderlich sind.
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