Grafschafter Schulgeschichte

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Ragnitz

23. Juni 1930 - 17. Januar 2013

Diese Grafschafter Schulgeschichte ist sein Werk. Er hat sie in den letzten Jahren unermüdlich bis zuletzt zusammengetragen und sich damit große Verdienste um das Schulwesen in der Grafschaft Bentheim erworben. Er hat auch die Reihe "Biographien Grafschafter Lehrerinnen und Lehrer" entwickelt, in denen herausragenden Kolleginnen und Kollegen ein bleibendes Andenken bewahrt werden soll.

Heinz Ragnitz wurde am 23. Juni 1930 in Kalkhof (Kreis Treuburg/Ostpreußen) als ältester Sohn einer Kleinbauernfamilie geboren. Er wurde in der einklassigen Volksschule Gollubien eingeschult und besuchte ab der 5. Klasse eine Oberschule in Treuburg. Am 22. Oktober 1944 floh er zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern mit zwei Pferden und Leiterwagen vor der heranrückenden Front. Nach einem mehrwöchigen Zwischenaufenthalt in der Nähe von Allenstein ging die Flucht über das zugefrorene Frische Haff zur Nehrung, weiter an dem KZ Stutthof vorbei über Danzig, Stolpmünde, Kolberg, Stettin nach Mirow in Mecklenburg. Im Mai 1945 wurde der Ort von der Roten Armee überrannt. Der 14jährige half bei der Bergung von Leichen, ein etwa 10-12jähriges Mädchen starb in seinen Armen. Erst allmählich normalisierte sich der tägliche Alltag für die Familie, zu der auch der Vater aus der Kriegsgefangenschaft gestoßen war.

Heinz Ragnitz beendete die Mittelschule in Neustrelitz im Sommer 1948. Vom März 1949 bis März 1950 nahm er an einem Lehrerausbildungskurs in Rostock teil. In dieser Zeit lernte er auch seine zukünftige Frau Anke kennen, die ebenfalls an diesem Kurs teilnahm. Der junge Lehramtsbewerber unterrichtete ab April 1950 an verschiedenen Schulen.

Im September 1950 unternahm er eine Fahrt mit dem Fahrrad von Mirow nach Lärz zum dortigen Schulleiter. Er machte einen Abstecher zum in der Nähe liegenden Flugplatz, um sich die Flugzeuge anzusehen. Als ihn ein sowjetischer Soldat anrief, ergriff er die Flucht. Er wagte es nicht, nach Mirow zurückzukehren, sondern beschloss, über Thüringen in den Westen zu fliehen. Dabei wurde er am 20. September 1950 verhaftet. Bis zum Frühjahr 1951 saß er in einem Stasigefängnis in Einzelhaft. Man warf ihm vor, sich gegen die "Oder-Neiße-Friedensgrenze" ausgesprochen und Spionage für die Amerikaner betrieben zu haben. Verzweifelt und zermürbt von Gewalt und schikanösen Verhörmethoden unterschrieb er schließlich ein von den Behörden formuliertes Geständnis. Er wurde zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Vier Jahre nach seiner Verhaftung durfte er ein Gnadengesuch an das Oberste Gericht der DDR mit der Bitte um Strafaussetzung richten. Im Dezember 1954 wurde er schließlich entlassen und kehrte nach Mirow zurück. Er hielt es für aussichtslos, in der DDR vorwärts zu kommen und flüchtete 1956 endgültig nach Westdeutschland. 1957 begann er ein Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule in Osnabrück. Nach dem Examen heirateten Anke und Heinz Ragnitz. Im April 1960 trat er eine Lehrerstelle an der Volksschule in Vorwald in der Grafschaft Bentheim an. Hier war er bis 1964 tätig.

Danach kehrte er an die Pädagogische Hochschule Osnabrück zurück, wo er an der Erstellung von Lehrprogrammen für den Mathematikunterricht arbeitete. 1970 übernahm Heinz Ragnitz die Schulleitung der damaligen Mittelpunktschule in Gildehaus, die er bis 1974 inne hatte. Er arbeitete im Vorstand des Eylarduswerks mit und engagierte sich beim Aufbau der privaten Sonderschule für verhaltensauffällige Kinder.

1974 wurde Heinz Ragnitz zum Schulrat ernannt. Er übte dieses Amt erst ein Jahr in Leer aus, danach in Nordhorn. Bis zu seiner Pensionierung 1992 war er vor allem für die Niedergrafschaft zuständig. Neben und nach seiner beruflichen Arbeit engagierte er sich in der GEW, im Vorstand des Eylarduswerkes, als Schöffe und in der Volkshochschule. Mehrere Jahre lang stand er dem Museumsverein vor und setzte sich vor allem für den Aufbau eines Kreismuseums ein. Er wurde von der Kommunalpolitik immer wieder um Gutachten in schulischen Dingen gebeten. In den letzten Jahren erstellte er zunächst die "Sammlung außerschulischer Lernorte" und dann vor allem die hier vorliegende "Grafschafter Schulgeschichte".

Für sein vielfaches Engagement wurde Heinz Ragnitz 1999 mit dem Niedersächsischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Heinz Ragnitz starb am 17. Januar 2013. Ein Nachruf in den Grafschafter Nachrichten fasst sein Wirken so zusammen: "Heinz Ragnitz war ein Idealist, der nie den großen Auftritt suchte. Er beeindruckte mit Herzlichkeit, Freundlichkeit und Kompetenz. Mit ihm verliert die Grafschaft eine hoch geachtete Persönlichkeit, die sich in vielfältiger Weise verdient gemacht."

Alois Brei

Quellen:
Heinz Ragnitz, Private Aufzeichnungen
Rolf Masselink, Geachteter Streiter für gute Schule, GN vom 19. Januar 2013
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