Grafschafter Schulgeschichte

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Sager

Ludwig Sager

25.1.1886 - 24.5.1970
   
1. Aus dem Bentheimer Jahrbuch 1986

Die Wiege Ludwig Sagers stand in Schüttorf. Dort wuchs er auf, bis ihn als Fünfzehnjährigen die Berufsausbildung nach Aurich in die Präparande und das Lehrerseminar rief. 1906 begann er seine Schulmeisterlaufbahn in der damaligen Mooreinsamkeit von Getelomoor (siehe: G13) - Schulmeister nannte er sich gern. Bis 1949 stand er in seinem Beruf in Uelsen (siehe: G01), Lage (siehe: E02) und Neuenhaus (siehe: , hier zuletzt als Hauptlehrer. In Neuenhaus-Hilten verbrachte er auch im eigenen Heim, einem Idyll am Rande der Stadt, seinen Ruhestand. Die Fenster seines Arbeitszimmers gewährten ihm jederzeit einen Ausblick auf seinen geliebten Lager Busch.

Im Ersten Weltkrieg war er als Soldat in Frankreich. Er hat also fast sein ganzes Leben in der Grafschaft Bentheim geführt. Das hat zweifellos seine Art und seine Arbeit geprägt - er war seiner Heimat eng verbunden.

Ludwig Sager war seinen Zeitgenossen besonders als hervorragender Kenner von Heide, Wald und Flur bekannt. Die "alte" Lehrerausbildung hatte dazu den sicheren Grund gelegt. Als Jäger war er Freund und Heger der freilebenden Kreatur.

Die historischen Zeugnisse seiner Vaterstadt mögen in ihm früh einen bleibenden Sinn für geschichtliche Zusammenhänge, besonders in der Grafschaft Bentheim, geweckt haben. Schon in den ersten Jahren seiner Lehrertätigkeit beschäftigte ihn das Studium der erreichbaren archivarischen Quellen. Die Früchte dieser jahrzehntelangen Arbeit an der Erforschung der Heimatgeschichte finden wir u.a. in den Schriften des Heimatvereins, vom ersten Heimatkalender aus dem Jahre 1926 an bis in die neuen Jahrbücher. Unter den größeren Arbeiten befindet sich "Die Geschichte einer Verpfändung, zehn Bilder aus der Bentheimer Geschichte", veröffentlicht in "Zeitung und Anzeigenblatt" 1929 und "Bentheimer Zeitung" 1930 sowie im Jahrbuch des Heimatvereins von 1967. 1952 erschien sein Buch "Die Grafschaft Bentheim in der Geschichte", dessen Titel das besondere Vorhaben des Bandes andeutet.

Dem Heimatverein widmete Ludwig Sager sich von der Zeit der Gründung des Vereins an. Über drei Jahrzehnte war er Mitglied des Vorstandes und viele Jahre Vertrauensmann des Heimatvereins in Neuenhaus. 1966 zeichnete ihn der Heimatverein durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft aus - er war das erste Ehrenmitglied des damals über fünfzigjährigen Vereins.

Ein bleibendes Denkmal hat Ludwig Sager sich in seinen schriftstellerischen Arbeiten gesetzt. Bereits 1932 schrieb er das s.Z. volkstümliche Bühnenstück "Der Hirt von Neuenhaus", das die Bentheimer Freilichtbühne bald aufführte. Seine vielen Erzählungen entsprangen geschichtlichen Hintergründen, quollen aus Überlieferungen alten Sagenguts der Heimat, beleuchteten heimliche und unheimliche Taten verwegener Grenzlandbewohner oder gaben eignem Erleben in Friedens- und Kriegszeiten Ausdruck. Gemeinsam ist ihnen immer wieder das unermüdliche Bemühen und Ringen um das Verständnis der in oft rätselhaftes Tun verwickelten Menschen. Das weckt die jedes Mal packende Spannung. Einige dieser Erzählungen sind: Derkohm, der Sedanstürmer (1927) bzw. Dee noojt lopen gaan was (1968), De Mann met dat growwe Gesicht (1932), Irrlichter im Grenzmoor (1954), Saul, Saul, was verfolgst du mich (1955), Bei Hanekenfähr strömten die Wasser (1964) und Harmina, eine Erzählung von der Grenze (posthum 1971).

Einen besonderen Rang im Gesamtwerk Ludwig Sagers hat seine lyrische, zumeist naturlyrische Dichtung. Die Gedichte sind die Krönung seines poetischen Schaffens; in ihnen ging er auch gern den letzten Fragen des Seins, des Lebens und des Vergehens nach und schloss dabei die ihm vertraute Tierwelt ein. Ausgelesen aus diesen Werken sind erschienen in dem Buch "Es jauchzen Wald und Heiden", Paderborn und Osnabrück 1948,  in einem dem Dichter vom Heimatverein 1968 gewidmeten Sonderband "Meine Freunde" und in "Heimatdichtung der Grafschaft Bentheim", 1. Auflage 1973, 2. Auflage 1981.

Einst von Freunden nach dem Gang seines Lebens gefragt, antwortete der Dichter: "Die Stationen des Lebens werden lebendig in Wort und Werk". In dem Gedicht "Ich schöpfe tief aus eines Brunnen Schacht" hat er die Antwort auf dichterische Weise gegeben. Auf  knappsten Raum, aber gültig hat er sich, den Menschen und den Dichter, in einer Strophe des Gedichts "Dem Fährmann Tod" dargestellt:

    Ich fuhr auf allen Straßen

    fand ungemünztes Gold

    wohl über alle Maßen

    mir war das Leben hold.
H. Heddendorp
1) "Heimatdichtung der Grafschaft Bentheim"
Quelle:
Bentheimer Jahrbuch 1986, Das Bentheimer Land, Band 109, Seite 5 - 6
Hinweis: Der Lebenslauf von Ludwig Sager und eine Auswahl aus seinen Werken ist abgedruckt in dem Buch "Heimatdichtung der Grafschaft Bentheim", Das Bentheimer Land, Bd. 79, 3. Auflage 1989, S. 65 - 96 - Eine weitere Kurzbiographie findet sich in dem Buch "Lage - Geschichte und Geschichten", 2009

Zum 125.Geburtstag von Ludwig Sager erscheinen in den Grafschafter Nachrichten zwei Artikel: "Feingeist schreibt Geschichte" von Irene Schmidt und "Ludwigs Enkel erinnern sich: Opa - unser Held" von Dorothee Feldkamp, Gustel Marjahn, geb. Meckelnburg, und Jürgen Sager (GN, 24.1.2011).


Ludwig Sager - Heimatfreund und Dichter

Zum 125. Geburtstag des bekannten Grafschafter Pädagogen

Älteren Grafschaftern ist Ludwig Sager noch ein Begriff, denn für Jahrzehnte prägte er das Grafschafter Kulturleben und war deshalb weit über die Grenzen des Kreises bekannt. Geboren wurde der Gastwirtssohn am 25.Januar 1886 in Schüttorf. Zwar auf den Namen Johann Louis getauft, setzte sich als Rufname jedoch mit "Ludwig" die deutsche Version seines französischen Vornamens durch. Der sehr gute Schüler verließ mit 15 Jahren seine Heimatstadt, um sich in Aurich auf den Lehrerberuf vorzubereiten. Als frischgebackener Lehrer kam Sager im April 1906 an die reformierte Volksschule in Getelomoor, wechselte 1907 zur Uelser Kirchspielschule und war anschließend von 1913 bis 1930 Hauptlehrer in Lage.

Der beliebte Pädagoge kümmerte sich außergewöhnlich intensiv um seine Schüler. Er versuchte, durch neue Unterrichtsmethoden, Ausflüge oder durch die Heranführung an Dichtung und Schauspiel den geistigen Horizont seiner Schüler zu erweitern und sie aus der häufig geistigen Enge infolge eines Lebens in einem verkehrsfernen Dorf und einer abgeschiedenen Region herauszuführen. Ebenso förderte der Junglehrer den Sport, der im Bentheimer Land seinerzeit noch ein Nischendasein führte. So gehörte er zu dn Hauptinitiatoren bei der Gründung des Sportvereins "Olympia Uelsen".

Der vielseitig interessierte Sager kam schon früh, noch in Schüttorf, mit der Poitik in Berührung. Er wurde als Kind dort Zeuge, wie die nationalsozialen Arbeiter, die vom linksliberalen Hellmut von Gerlach organisiert worden waren, bei den Wahlen von den Fabrikanten und Beamten unter Druck gesetzt wurden. Infolgedessen engagierte er sich 1913 politisch in der Opposition gegen den stock-konservativen Landrat Hermann Kriege, der den Druck tatkräftig unterstützt hatte - und sah seinen Kandidaten aufgrund des behördlichen Einwirkens ebenfalls scheitern. Diese Erfahrungen prägten seine politische Haltung.

So schloss er sich nach der Revolution von 1918 der linksliberalen "Deutschen Demokratischen Partei" (DDP) an, und bekämpfte vehement als junger "Feuerkopf" , wie er rückblickend bekannte, die "Pfaffen" und deren Einfluss etwa im Schulwesen oder in christlichen Parteien.1930 Hauptlehrer der großen Neuenhauser evangelichen Volksschule geworden, musste sich der Linksliberale nach der NS-Machtergreifung politisch stark zurückhalten. Äußerlich soweit mitarbeitend , dass seine berufliche Stellung nicht gefährdet wurde, engagierte sich Sager zunehmend in der "Bekennenden Kirche". Seine später ausschnittsweise veröffentlichten Tagebucheintragungen zeigen ihn als wachen Beobachter des politischen Zeitgeschehens, der nicht verschweigt, dass auch ihn als durchaus vaterländisch gesinnten Deutschen einige Zeitereignisse zeitweilig mitrissen.

Seine wachsende Verwurzelung im christlichen Glauben, seine Abneigung gegen die "Deutschen Christen" und die Versuche des NS-Staats, die Kirchen zu gängeln und das Glaubensgut zu verfälschen, hinderten ihn jedoch daran, sich dem Regime allzu sehr anzunähern. Anfang 1937 wurde Sager auf eigenen Antrag aus der SA entlassen. Er weigerte sich überdies, aus der Kirche auszutreten, was seinerzeit vielen Pädagogen nahe gelegt wurde. So erhielt er nicht das Zertifikat als "Hitlerjugendführer".
Trotzdem blieb der Schulleiter unbehelligt. Möglicherweise schützte ihn ein wenig sein großer Bekanntheitsgrad. Der passionierte Naturfreund und Jäger betätigte sich früh als Dichter und Heimatforscher. Seit 1932 im Vorstand des Grafschafter Heimatvereins, prägte er rund drei Jahrzehnte wesentlich dessen Erscheinungsbild. Bereits 1913 erschien seine erste heimatgeschichtliche Veröffentlichung in der Grafschafter Presse.

Sager sammelte unermüdlich Sagen, überlieferte Geschichten oder Volkserzählungen, die er nicht nur für den Unterricht nutzte, sondern auch in Gedichten und Schauspielen verarbeitete. Besonders populär wurde sein Schauspiel "Der Hirte von Neuenhaus", das die Bentheimer Freilichtbühne 1932 mit großem Erfolg aufführte. Seine Werke druckten zunächst Zeitungen ab, dann publizierte er auch im "Grafschafter Heimatkalender" und dessen Nachfolger, dem "Jahrbuch der Heimatvereins der Grafschaft Bentheim", sowie im "Grafschafter". Jahrzehntelang erschien kaum eine Folge dieser Reihen ohne einen Beitrag von Ludwig Sager. 1949 in den Ruhestand gegangen, intensivierte Sager seine schriftstellerischen und heimatgeschichtlichen Bemühungen. Seine hoch- und plattdeutschen Gedichte, die seiner Naturverbundenheit Ausdruck verliehen, geschichtliche Themen aufgriffen oder sich mit den tieferen Fragen des menschlichen Daseins auseinandersetzten, wurden teilweise vertont und - in Gedichtsbänden veröffentlicht - regional bekannt.

Vielen Grafschaftern ein Begriff wurde der Neuenhauser außerdem durchzahlreiche Naturführungen im Namen des Heimatvereins und infolge seiner freien Mitarbeit beim "Sonntagsblatt für evangelisch-reformierte Gemeinden".  War er schon vor der NS-Zeit als Linksliberaler im seinerzeit durch und durch konservativen Vorstand des Grafschafter Heimatvereins ein politischer Außenseiter gewesen, so überraschte er 1961 durch ein Plädoyer zugunsten des SPD-Politikers Willy Brandt, der nicht nur im Bentheimer Land unter Sagers protestantischen Glaubensgenossen einen schweren Stand wegen seiner marxistisch-atheistischen Vergangenheit hatte.

Die SPD war seinerzeit im Bentheimer Land eine nahezu ausschließlich auf die städtische Arbeiterschaft beschränkte Partei. Sager verglich Brandt mit dem großen Neuenhauser Bürger Johannes (von) Miquel (!828 - 1901), der als junger Idealist Atheist und Marxist gewesen war, später aber geläutert wurde, zum Glauben zurückfand und segensreich als Reichsfinanzminister gewirkt habe. Aufgrund der vielfältigen Verdienste Sagers blieben Ehrungen nicht aus.

Der Grafschafter Heimatverein, der ihm so viel zu verdanken hatte, ernannte beispielsweise den volkstümlichen Neuenhauser 1966 zu seinem ersten Ehrenmitglied. Sagers Gedichte und Erzählungen sind inzwischen größtenteils in Vergessenheit geraten, keineswegs immer zu Recht. Viele wären es wert, durch einen Neuabdruck wieder in Erinnerung gerufen zu werden.

Helmut Lensing
Quelle: Der Grafschafter Nr. 10 Oktober 2011
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