In der Schulchronik der Volksschule Balderhaarmoor gibt der Lehrer Schmidt 1894 einen ausgezeichneten Überblick über die damaligen Verhältnisse, über die Beschaffenheiten und über die äußere und innere Entwicklung der Schulgemeinde, die Heinrich Eberhardt in seinem Buch "Schule, Land und Leute der Samtgemeinde Uelsen im Spiegel der Schulchroniken" (Seite 311 f.) wörtlich übernommen hat. Zur Schulgemeinde gehörten damals die 6 Ortschaften Striepe, Balderhaar-Moor, Klein-Striepe, Egge, Itterbecker-Moor und Itterbecker-Doose. Sie lag im äußersten Westen der damaligen Provinz Hannover und grenzte im Westen, Südwesten und Süden an Holland, im Südosten an Getelo-Moor, im Osten und Nordosten an Itterbeck und im Nordwesten an Balderhaar. Es gehörten dazu 56 Haushaltungen mit 251 Personen; 48 Bewohner waren katholisch, 14 altreformiert und 189 reformiert. Die Bewohner beschäftigten sich durchweg mit Ackerbau und Viehzucht und mit der Gewinnung von Torf. Bemerkenswert war der Nebenverdienst aus dem Verkauf der großen Feldsteine, mit denen das Heidefeld übersät war.
In den ersten Jahren nach Entstehung der Schulgemeinde um 1860 erhielten die Kinder keinen Unterricht. Lediglich einige Strieper und vereinzelt auch Kinder aus Itterbecker-Doose besuchten Schulen in Holland (Langeveen, Bruinehaar), Kinder aus Egge die Schule in Itterbeck. Auf Antrag beim Oberkirchenrat wurde dann ungefähr ab 1875 eine Winterschule eingerichtet, wofür eine Unterstützung von 45 Mark pro Winter gewährt wurde. Der Unterricht war freiwillig und fand in wechselnden Wohnstuben statt. Die Lehrer (Heuerleute, Neubauern, Tagelöhner, Schreiber) wechselten ständig. Die Kinder lernten nicht viel.
1886 - Da die Schule völlig leistungsunfähig ist, übernimmt die Regierung die Kosten für den Bau einer Schule mit Lehrerwohnung in Höhe von 9500 Mark. Die Schule wird am 24. November 1886 durch Lokalschulinspektor Pastor Schulte aus Uelsen mit dem Lehrer Riesenbeck eröffnet. Sie wird im ersten Jahr von 47 Kindern, 25 Knaben und 22 Mädchen, besucht.
1888 - Am 1. April 1888 wird Lehrer Riesenbeck nach Haftenkamp versetzt. Er ist dann 29 Jahre in Itterbeck tätig, wo er 1920 stirbt. Kurze Zeit unterrichtet in Balderhaarmoor der Lehrer Herzog. Ihm folgt der Lehrer Schmidt, der 1894 mit dem Schreiben der Schulchronik beginnt. Zum 1. Oktober 1888 kommen 8 katholische Kinder hinzu. Vorher hatten sich die Eltern geweigert, ihre Kinder in die Schule zu schicken.
1892 - Bis zum Jahre 1892 besuchten noch einige Kinder aus Getelomoor die Schule, die dann in die neue Schule in Getelomoor übergingen.
1894 - Über die Schule in Balderhaarmoor heißt es in der Schulchronik: "Das Schulgebäude liegt in der Egge an der Südseite des Weges. Der Fürst von Bentheim hat der Gemeinde hier einen Morgen Heideland zu einem Bauplatz geschenkt. Im Schulraum selbst haben 60 Kinder Platz auf 22 Bänken. Zur Wohnung des Lehrers gehören die Wirtschaftsräume, bestehend aus einer Diele, aus einem Kuh- und einem Schweinestall und einem Torfraum. Vor dem Schulhaus liegt das Schulland - ein Heidekamp - von 10 Morgen."
1896 - Bei einer Revision stellt der Kreisschulinspektor Pastor Nyhuis aus Arkel fest, dass die Schülerzahl von 87 die Anzahl der 60 Sitzplätze übersteigt. Es muss ein Ausgleich mit Getelomoor geschaffen werden. Kinder aus Itterbecker- Moor und -Doose werden nach Getelomoor umgeschult.
1898 - Lehrer Schmidt wird nach Haftenkamp versetzt. Es folgt Lehrer Rolfes. Die folgenden Jahre sind durch häufigen Lehrerwechsel gekennzeichnet: 1903 folgt Lehrer Snoek, 1907 Lehrer Beckmann, nach dessen Pensionierung Lehrer Benninger.
1903 - In Egge wird eine evangelisch-reformierte Kapelle errichtet. Seitdem finden in Egge regelmäßig Gottesdienste statt, die sich eines regen Zuspruchs erfreuen.
Ein Bild aus dem Jahre 1910: Lehrer Beckmann mit den Schulkindern - Quelle: J. Völker
1914/1918 - Lehrer Benninger wird zum Heeresdienst eingezogen. Er fällt 1918 als Leutnant. Vertretungsweise unterrichten Lehrer Paalmann aus Ratzel und Lehrer Bock aus Wielen. Am 17.09.1918 kommt Lehrer Siermeier an die Schule.
Der Krieg greift tief in das Leben der Schulgemeinde ein. Die Grenze wird durch Landstürmer bewacht. Im Winter 1915 wird die leer stehende Küche der Schule als Wachstube bezogen, der Boden dient als Schlafraum.
1919 - Die Schülerzahl steigt auf 96. Es gibt nur für 66 Kinder Sitzgelegenheiten. Die erste Klasse wird im Sommer von 7 - 12, im Winter von 8 - 12.40 Uhr, die zweite Klasse im Sommer von 13 - 17, im Winter von 13.10 bis 16 Uhr unterrichtet. Der Plan, einen zweiten Klassenraum anzubauen, scheitert daran, dass die Itterbecker und Ratzeler, die im Gemeindeausschuss die Mehrheit besitzen, sich weigern, die nötigen Gelder zu genehmigen.
1920/1921 - 1920 wird eine 2. Lehrerstelle bewilligt. Am 17. September 1921 wird Lehrer Trinkler als Nachfolger von Lehrer Siermeier, der die Grafschaft verlässt, an die Schule versetzt.
1925/1926 - Die Chronik befasste sich in den vorangegangenen Jahren ausschließlich mit dem Schulanbau. Die Gemeinde Itterbeck versuchte immer wieder, den Schulbau hinauszuschieben. Erst nach der Inflation und der Ruhrgebietsbesetzung der Franzosen wird in der Gemeindeversammlung am 8.5.1925 der Beschluss über den Anbau eines Klassenraumes gefasst, der ab 1926 vollendet wird. Die Wirtschaftsräume des Lehrers werden in Wohnräume umgebaut.
1928 - Die Schulgemeinde Balderhaarmoor wird an das Stromnetz angeschlossen.
Die Schulchronik bricht mit dem Jahre 1928 ab. Im Schuljahr 1928/29 unterrichten an der Schule die Lehrer Trinkler und Lindhost.
1933/1944 - Die 50 Seiten der nationalsozialistischen Zeit sind auf Weisung der Militärregierung herausgetrennt worden. Bis einschließlich 1936 führte die Schule den Namen Volksschule Balderhaarmoor. Ab 1937 findet man in den Schulakten nur noch die Bezeichnung "Volksschule Egge". Nach einer Befragung älterer Einwohner ließ sich für diese Zeit noch in Erfahrung bringen (nach Eberhardt, a.a.O., Seite 322): Schulleiter sind die Lehrer Jürgenahrink und Holthuis, der aus Itterbeck stammt und ab 1936 als Lehramtsbewerber in Halle tätig ist. Beide tauschen 1937 ihre Stellen, weil die Lehrerwohnung in Halle größer und Holthuis noch nicht verheiratet ist. Während des Krieges sind Lehrer Holthuis und der 2. Lehrer Hagmann zum Kriegsdienst eingezogen. Es wird Vertretungsunterricht aus Uelsen und Neuenhaus erteilt. In den letzten Jahren des Krieges werden zwei Schulhelferinnen eingesetzt.
Beim Einzug der alliierten Truppen wird das Schulhaus von einer polnischen Einheit belegt. Die Häuser in der Grenzzone müssen von den Bewohnern geräumt werden.
1945/1951 - Der Unterricht beginnt wieder im August 1945. Lehrer Holthuis wird nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft an der Schule Hilten tätig. Lehrer Hagmann soll den Unterricht wieder aufbauen und bekommt als Hilfe die Schulhelferin Frl. Knoche, die schon vor Kriegsende hier als Schulhelferin tätig war. Allerdings wird Herr Hagmann bald nach Getelo versetzt und Fräulein Knoche kehrt in ihre Heimatgemeinde Emlichheim zurück. Am 1. Dezember wird der Flüchtlingslehrer Petereit (aus Memel) mit der Verwaltung der Schule beauftragt. Nach der Kriegszeit kann er endlich in Egge den Lehrerberuf ausüben. Ihm zur Seite steht einige Zeit Fräulein Freitag aus Itterbeck, allerdings muss sie sehr bald in Ratzel die Vertretung übernehmen. Bis Ende 1947 bleibt er überwiegend allein. Es musste von 8 - 16 Uhr unterrichtet werden, um allmählich den Wissensstand der Kinder zu heben. Insgesamt müssen 170 Kinder unterrichtet werden. Vorübergehend ist Herr Schwarz als zweiter Lehrer in Egge, danach Herr Jannink bis 1951.
1952 - Die 2. Lehrerstelle wird am 15. April 1952 nach dem Weggang von Herrn Jannink mit dem Lehreranwärter Gerhard Kuhr besetzt
1955 - Die Schule bekommt einen Fahrradunterstand, angebaut an den Torfschuppen. Außerdem bekommt sie "noch ein wunderbares Geschenk: eine Wasserleitung mit herrlichem Wasser", und zwar aus folgendem Grund: "Bei einem Brand hatte die rechtzeitig eingetroffene Feuerwehr kein Löschwasser. Darauf wurde auf dem Schulgrundstück ein 30 Meter tiefer Feuerlöschbrunnen angelegt, und aus diesem Brunnen kam nun das beste Wasser des Dorfes".
1958 - Die Schülerzahlen sind von 170 im Jahre 1945 bis auf 75 im Jahre 1958 gesunken, vor allem, als in Wielen die neue Schule errichtet worden war. Lehrer Petereit hebt das Schulengagement des Bürgermeisters Holthuis besonders hervor.
1960 - Lehrer Petereit beantragt seine Versetzung in den Ruhestand. Nachfolger als Schulleiter wird Gerhard Kuhr, der schon seit 1952 als 2. Lehrer an der Schule tätig war. Die zweite Lehrerstelle wird von Martin Schröer übernommen. Die Schulgemeinde hat jetzt 552 Einwohner, davon 93 Schulkinder.
Lehrer Petereit wird von Schulrat Kollmann in den Ruhestand verabschiedet. - Quelle: Schulchronik
1962 - Zum Schuljahrsbeginn 1962/63 werden 12 Kinder in das 9. Schuljahr in Uelsen überwiesen. Egge erhält nun erstmalig einen täglich verkehrenden öffentlichen Bus. Die Eltern sind mit der frühen Abfahrtzeit des Busses nicht einverstanden und sind "ohnehin nicht von der Nützlichkeit des 9. Schuljahres überzeugt", doch "im Laufe des Jahres bröckelt der innere Widerstand der Eltern". Andererseits kommt Egge in den Genuss eines täglich verkehrenden öffentlichen Verkehrmittels.
1964 - Im Schuljahr 1962/63 beginnt dann die schulpolitische Diskussion um die Einführung von Mittelpunktschulen ab Klasse 7. Anfangs wird noch überlegt, in Itterbeck eine solche Schule einzurichten. Dieses Vorhaben scheitert an den zu geringen Schülerzahlen. Nach langen Diskussionen über die örtlichen Schulverhältnisse werden die Kinder dann ab Ostern 1964 ab Klasse 7 nach Uelsen abgeschult, damit sie in Jahrgangsklassen unterrichtet werden können. Aussage von Schulrat Thielke: Eine fortschittliche Entscheidung, die für den schon lange geplanten Schulneubau in Egge sehr förderlich sei.
Im Sommer bekräftigt der Regierungspräsident in Osnabrück nochmals seinen Entschluss, der Egger Schule Zuschüsse für einen Neubau zu gewähren. Gegen Ende des Jahres beschließt der Gemeinderat endgültig den Neubau.
1966/1968 - Unter Beteiligung der ganzen Gemeinde wird die 80-Jahr-Feier der Gründung der Schule Balderhaarmoor/ Egge gefeiert.
Der lang diskutierte Schul-Neubau rückt in greifbare Nähe. Der Umzug in das neue Schulgebäude erfolgt nach den Herbstferien 1967. Es sind Kosten von 200 000 DM entstanden. Das alte Schulgebäude geht in Privatbesitz über. Schulrat Kollmann sagt bei der Eröffnungsfeier am 18.10.1967: "Die Grundschule wird und muß auch in Zukunft am Ort, in Sichtnähe der Kinder, bleiben." (GN, 18.10.1967).
Herr Schröer lässt sich nach Uelsen versetzen. Als Ersatz kommt Fräulein Simon, die bis zum Ende des Schuljahres 1967/68 bleibt. An ihre Stelle tritt die Lehreranwäterin Monika Richter.
1969/1970 - Herr Kuhr wird am 1.8.1969 Hauptseminarleiter im Ausbildungsdienst und unterrichtet nur noch 5 Wochenstunden in Egge. Ein Jahr später wird er nach Nordhorn versetzt. Schulleiterin wird die Lehrerin Monika Richter, die seit 1968 an der Schule tätig ist.
1971 - Das 5. und das 6. Schuljahr werden nach Uelsen abgeschult. Ab 1.8.1971 ist die Schule Egge eine reine Grundschule.
1974 - Nach einem Schulneubau in Itterbeck werden die Grundschulen Itterbeck und Egge im Februar 1974 zusammengefasst. Dies führt zur Auflösung der Schule Egge. Das Schulgebäude wird seitdem vom Kinderspielkreis genutzt. Frau Richter geht zur Grundschule Itterbeck. Nach fast 90 Jahren hört die Volksschule Balderhaarmoor - Egge auf zu bestehen.
2010 - Erinnerungen an die Schulzeit in Egge
50 Jahre nach ihrer Einschulung in die damalige Volksschule Egge trafen sich acht der einst 13 Schüler. Auch der damalige Klassenlehrer Martin Schröer, der in Egge seine erste Lehrerstelle antrat, nahm an dem Treffen teil. Nach dem Besuch des Waldfriedhofs tauschten die Ehemaligen im Hof für Heimatpflege beim Betrachten alter Fotos Erinnerungen aus (GN, 3.5.2010)
Quellen:
Gerhard Kuhr, Auszüge aus der Schulchronik, 1962
Heinrich Eberhardt, Schule, Land und Leute der Samtgemeinde Uelsen im Spiegel der Schulchroniken, 1985; Nr. 4.2.8 Egge - Balderhaarmoor, Seite 309 - 327
Willy Friedrich, Egge - Teil der Gemeinde Itterbeck, Der Grafschafter, Nr. 6/1988
Frank Heinemann, Das Schulwesen in Itterbeck.In:750 Jahre Itterbeck, Das Bentheimer Land, Band 168, Seiten 249 -252
Artikel aus der örtlichen Presse, im Text angegeben