Ein Beitrag zur Geschichte Wilsums im 19. Jahrhundert von Erich Gövert
Während heute über Schulprobleme, Schulform, Lehrer und Schüler der Pisa-Studie und andere Ausbildungsangelegenheiten diskutiert wird - im Nachfolgenden einiges über die Schule, die Lehrer und das Leben der Schüler im 19. Jahrhundert in einer Niedergrafschafter Landgemeinde. In den wenigen hier bereits vor 1800 bestehenden Schulen fand der Unterricht oft nur in den Wintermonaten und teilweise in Bauernstuben und umgebauten Scheunen statt.
Die Lehrer wurden von den Gemeindegliedern gewählt. Oft waren es alte Schäfer und solche Einwohner, von denen man meinte, dass sie für diesen Beruf besonders geeignet seien. Die Kenntnisse waren genügend, wenn sie ziemlich gut schreiben, in der Bibel lesen und etwas rechnen konnten. Ab 1818 waren Pastoren als Schulinspektoren für den Unterricht zuständig und ab 1824 wurde die Schulpflicht für Kinder vom 6. bis zum 14. Lebensjahr eingeführt. In den Niedergrafschafter Gemeinden fand der Unterricht in niederländischer Sprache statt.
Ebenso wie die Prediger zu ihrem Lebensunterhalt nebenbei Landwirtschaft betrieben, waren auch die Lehrer auf diese naturelle Vergütung, die ihnen von den Gemeinden geboten wurde, angewiesen. So erhielt der Lehrer Rooseboom, der auch als Küster und Organist diente und bereits über 30 Jahre die Wilsumer Kinder unterrichtet hatte, nach Aufforderung der Regierung an Stelle der Naturalien (Acker, Weide, Plaggen und Torfstechen) erstmalig 1834 ein festes Einkommen in Höhe von 327 Gulden. Die Eltern mussten für jedes Kind Schulgeld bezahlen. Eltern mit mehreren Kindern und "Mindervermögende" wurden durch Herabsetzung dieser Beiträge berücksichtigt.
Einen erfolgreichen Unterricht zu gestalten war für die Lehrer und besonders für die Kinder, die bei jedem Wetter - im Winter bei Schnee und Eis - nach einem langen Schulweg mit nassen und manchmal durchgefrorenen Kleidern in die Schule kamen, schwierig. Wenn dann der Unterrichtsraum in der kalten Jahreszeit nicht beheizt war und die Kinder, wie es in einem Schreiben heißt, "vor Kälte es nicht in der Schule auszuhalten vermochten", war ein Unterricht kaum durchzuführen. Die für das Schulwesen in der Grafschaft zuständige Behörde, der Königliche Oberkirchenrat der Grafschaft Bentheim - Abteilung für Volksschulsachen - forderte in einem Schreiben vom 16. November 1860 die örtlichen Kirchenräte (Orts- Consistorien) auf, hier für Abhilfe zu sorgen.
In diesem Schreiben heißt es wörtlich: "Da mehrfach von den Schullehrern Klage darüber erhoben ist, dass bei Eintritt der kalten Jahreszeit bald die Öfen noch nicht gesetzt waren, bald aber alles und jedes Feuerungsmaterial fehlte, um die Schulstube heizen zu können, dadurch aber die Lehrer verhindert wurden, gehörig zu unterrichten, und die Kinder vor Kälte es kaum in der Schulstube auszuhalten vermochten, so machen Wir es hierdurch den Ortsconsistorien als gesetzlichen Orts- Vorständen zur Pflicht, dafür Sorge tragen zu wollen, dass in allen Schulstuben ihres Kirchspiels während der Octoberferien die Öfen in Stand gesetzt und Feuerungsmaterial für die Schulstube angeschafft werde, damit, wenn die Kälte eintritt, sofort geheizt werden könne. Die Herrn Prediger als Vorsitzende des Consistorien, wollen in den ersten Jahren, bis diesem Mangel abgeholfen ist, zu Anfang des Monats Oktober jedes Jahres den Mitgliedern des Orts Consistoriums den Inhalt dieser Unserer Verfügung in Gedächtniß zurückrufen."
In vielen Bauerschaften brachte jedes Kind morgens im Winter ein Torfstück mit in die Schule.
Quelle: Archiv der Gemeinde Wilsum/ Reformierte Kirche Wilsum (aus: Der Grafschafter 1/ 2010)