Grafschafter Schulgeschichte

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Zahlten

Biographien Grafschafter Lehrerinnen und Lehrer

Ferdinand Zahlten

10.1.1897 - 16.3.1964

Mein Vater, Ferdinand Zahlten, wurde am 10. Januar 1897 in Osnabrück geboren. Von 1914 -1918 nahm er als Freiwilliger am Krieg in Frankreich teil. Mehrere Verwundungen und eine Verschüttung verursachten erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Nach Kriegsende schloss Vater seine Ausbildung zum Lehrer an dem Katholischen Lehrerseminar zu Osnabrück ab. Seine erste Anstellung fand er an der katholischen Volksschule in Schöninghsdorf zum 1. April 1920. Dort lernte er Änne Brüning kennen, die er später heiratete. Weitere berufliche Einsatzorte waren Rühlermoor und Breddenberg. Tatkräftig engagierte er sich im Dorfleben: u.a. gründete er einen  Fußballverein und setzte Pläne für die Wasserversorgung in Gang. Es folgte eine Anstellung als erster Lehrer in Schwege. Mir ist noch lebhaft in Erinnerung, wie er mit seinen Schülern außerhalb des Schulunterrichtes Modellbau betrieb. Eine heimtückische Krankheit zwang ihn, die Stelle als Schulleiter aufzugeben. Nach seiner Genesung nahm er 1937 seine Lehrtätigkeit an der Marienschule in Nordhorn auf.

Zum 1. April 1938 wurde Vater auf seinen Wunsch hin in eine freie Lehrerstelle der Gemeinde Brandlecht (siehe: B02) eingewiesen. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte es auch, wöchentlich bis zu vier Unterrichtsstunden an den Berufsschulen des Schulverbandes zu erteilen. Zur gleichen Zeit übernahm er, obschon es aus politischen Gründen nicht gern gesehen war, das Amt des Organisten an der katholischen Kirche, wo er auch einen Kirchenchor ins Leben rief.

Mit seiner Frau und den sechs Kindern wohnte Vater im Schulhaus. Das Klassenzimmer stand in unmittelbarer Verbindung mit dem Wohngebäude. Viele Jahre wurden an Weihnachten in der Schule die von ihm einstudierten Krippenspiele mit den Schulkindern aufgeführt. Sie waren ein Ersatz für die Weihnachtsfeiern, die vorher im Pfarrhaus stattfanden.

Im September 1939 wurde Vater zur Wehrmacht eingezogen. Auf Ersuchen der Gemeinde war er nach dem Frankreichfeldzug 1940 wieder freigestellt. Er unterrichtete bis Ende 1944, als er erneut eingezogen wurde. Ende Juli 1945 kehrte Vater aus englischer Kriegsgefangenschaft heim.

Nach dem Kriegsende nahm Vater ab Schulbeginn den Dienst auf. Am 3. Februar 1946 musste er unverhofft seine Tätigkeit wieder aufgeben. Erst nach einem langjährigen Entnazifizierungsverfahren konnte er zum 1. November 1948 als "entlastet" seinen Beruf erneut ausüben. Er hat nie erfahren, warum er solange auf die Wiedereinstellung warten musste. Trotz aufwendiger Recherchen konnte auch seine Familie keine Erklärung für diese Zeit finden. Er erhielt die Planstelle eines Alleinstehenden Lehrers an der Katholischen Volksschule Brandlecht. Vater war ein religiöser Mensch, und nur so war es ihm möglich, diese schwere Zeit beruflicher Untätigkeit psychisch einigermaßen zu verkraften. Es war eine bittere Zeit für ihn und für die Familie. Tröstlich war für ihn und seine Frau die vielfältige Hilfsbereitschaft gutwilliger Menschen, die der mittellosen Familie halfen.

In der Zeit vom 4. Februar 1946 bis zum 31. Oktober 1948 unterrichtete Frau Gryzimek die Schülerinnen und Schüler, sie war Vater eine sensible und verständnisvolle Kollegin. Vater unterrichtete an der einklassigen katholischen Volksschule alle Jahrgänge (ca. 60 Jungen und Mädchen) in zwei Gruppen alleine. Der Unterricht für die Klassen 5 bis 8 begann am frühen Vormittag, und die Klassen 1 bis 4 kamen später zur Schule. Während eine Klassenstufe unterrichtet wurde, musste die andere Gruppe stille Arbeiten ausführen. Es bedurfte schon eines großen pädagogischen Geschickes und eines außergewöhnlichen persönlichen Einsatzes. Als die Schülerzahl wuchs, kam eine zweite Lehrkraft hinzu, zunächst Hans Borggreve, dann Frau Ida Greifenberg. Lange Zeit versuchte Vater, die Konfessionsschule in Brandlecht weiter zu führen. Leider musste er mit ansehen, dass die Regierung eine andere Regelung anordnete und es nur noch eine Gemeinschaftsschule gab.

Vater schätzte das Leben auf dem Lande, wenngleich er in der Stadt geboren und aufgewachsen war. Er genoss die Vielfältigkeit in der freien Natur. Gern war er im privaten Garten tätig und erfreute sich am Blühen, Wachsen und Ernten von Obst und Gemüse. Ein vorhandener kleiner Schulgarten bot sich an, die Kinder praktisch an die Nutzung eines Gartens heranzuführen. Sie durften Beete herrichten, säen und auch ernten. Leider bestand der Schulgarten nur kurze Zeit.

Während des zweiten Weltkrieges kamen aus volkswirtschaftlichen Gründen auch Sonderaufgaben auf die Schule zu. So machte Vater sich mit den Schülern auf den Weg in die Natur, um Kräuter zu sammeln. Es wurden u. a. die Blätter von den Brombeersträuchern, Schafgarbe und Schachtelhalm gepflückt und für die Herstellung von Tee getrocknet. Ferner benötigte man Fallschirme. Um Platz für die Seidenraupen zu schaffen, wurden in der Schule Holzgestelle mit Gittern untergebracht. Die gefräßigen Raupen mussten u. a. von den Schülern solange mit den Blättern der Maulbeerbäume gefüttert werden, bis sie sich verpuppten und als Kokons für die Ablieferung bereitstanden. Ob sie letztlich noch versponnen wurden und für die Fallschirme Verwendung fanden?

Viele ehemalige Schülerinnen und Schüler der beiden Konfessionsschulen werden sich noch an die aufregenden "Schnitzeljagden" erinnern, bei der ein Fuchs gejagt werden musste. Er war der Abschluss eines Schuljahres und führte quer durch die Gemeinden Brandlecht und Hestrup. So sehr Vater auch seinen Beruf liebte, musste er sich doch  zum 1. Mai 1957 aus gesundheitlichen Gründen pensionieren lassen. Die Erkrankung brachte zunehmend Atemnot mit sich. In Nordhorn fanden er und seine Frau eine gemütliche Wohnung. Er liebte den idyllischen Weg an der Vechte entlang in die Sankt-Augustinus-Kirche.

Sein Leben endete plötzlich am 16. März 1964. Die letzte Ruhe fand er auf dem katholischen Friedhof am Deegfelder Weg in Nordhorn. Die Beisetzung fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und vieler ehemaliger Schülerinnen und Schüler statt. Am 13. September 1992 starb seine Frau im Alter von 92 Jahren in Duisburg. Sie wurde neben ihrem Mann beigesetzt.

Für mich bleibt noch zu erwähnen, dass sich Vater seinen Familienmitgliedern und seinen Mitmenschen gegenüber liebevoll, gütig und fürsorglich verhielt, ein Vorbild für uns alle.

                                                                                                               Marianne Zahlten
Quelle:
"Erinnerungen an ein erfülltes Leben: Lehrer Ferdinand Zahlten (1897 - 1964)" Text von Herrn Gerhard Aschermann, Vorsitzender des Heimatvereins Brandlecht/Hestrup e.V., zur Verfügung gestellt; veröffentlicht im Jahrbuch des Heimatvereins 2006 , Seite 296 ff
Johann

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